Die Judas-Variante - V3
»Ich
will versuchen, die Ryqril zu überreden, Sie nach Plinry zurückzuschicken.«
»Wenn die anderen tot sind?«
»Wenn die anderen hoffentlich sonst wohin unterwegs sind«, beruhigte Galway ihn. »Wir müssen aber
erst abwarten, wie dieser erste Test abläuft.«
» Test ?«
»Vielleicht kann ich Ihnen das alles irgendwann einmal erzählen«, sagte Galway. »In der
Zwischenzeit möchte ich Sie bitten, meine Gastfreundschaft anzunehmen. Haben Sie vielleicht einen
Wunsch?«
»Wie wäre es mit etwas zu lesen?«, sagte Caine. »Zum Beispiel die Geschichte und aktuelle
Ereignisse in diesem Teil von Khala. Ein paar Karten von Inkosi City und der näheren Umgebung
wären auch schön.«
Galway lächelte dünn. »Für den Fall, dass Ihnen ein Fluchtversuch gelingt?«
»Das ist die erste Pflicht eines Kriegsgefangenen«, klärte Caine ihn auf. »Ein paar vernünftige
Klamotten wären aber auch nett. Es ist ziemlich kühl hier drin.«
»Die Kleidung liegt in der oberen Koje«, sagte Galway und wies auf die bezeichnete Stelle. »Und
was das andere betrifft, werde ich sehen, was ich tun kann.«
»Vielen Dank«, sagte Caine. »Und vielleicht noch ein bisschen Musik.« Er ließ den Blick durch den
kahlen Raum schweifen. »Und noch ein paar Bilder und einen Teppich.«
»Es ist wirklich ziemlich trist hier«, pflichtete Galway ihm bei und ließ ebenfalls den Blick
schweifen. »Die Anlage war während des Kriegs ein Fernspäher-Stützpunkt, von dem aus anfliegende
Ryqril-Schiffe mit Radar und Flakscheinwerfern erfasst wurden.«
»Und weil die Ryqril auf diese Zielerfassung entsprechend reagiert hatten, wurden solche Anlagen
in größerer Entfernung von wichtigen militärischen und zivilen Einrichtungen platziert?«
»Exakt«, sagte Galway. »Soweit ich weiß, gab es einen ganzen Halbkreis dieser Einwege-Einrichtungen um Inkosi City.«
»Die Besatzung dieses Bunkers hat wohl Glück gehabt.«
»So viel Glück, wie irgendjemand hatte«, sagte Galway leise, und Caine sah ihm an, dass er von
Erinnerungen gequält wurde. Für einen Moment schien er in die Vergangenheit zurückzublicken, doch
dann normalisierte sich sein Gesichtsausdruck, und er konzentrierte sich wieder auf Caine. »Ich
werde jedenfalls Anweisungen bezüglich der Musik und der Lektüre hinterlassen.«
»Haben Sie woanders dringendere Geschäfte zu erledigen?«
»Das Spiel geht weiter«, sagte Galway und ging in den Korridor hinaus. »Sie sind leider nicht
mehr dabei. Gute Nacht.«
Er verschwand im Korridor. Die beiden Sicherheitsleute gingen hinter ihm rückwärts zur Tür hinaus
und behielten Caine die ganze Zeit im Blick.
Dann schloss sich die Tür mit einem massivdumpfen Schlag, gefolgt von einem ebenso soliden
Klicken des Schlosses.
Und Caine war allein.
Galway vergewisserte sich, dass die Zellentür sicher hinter ihnen verriegelt war. Dann postierte
er die beiden Sicherheitsleute als Wachen vor der Tür, ging zum Aufzug zurück und fuhr in den
Kontrollraum zwei Etagen höher. Er sah niemanden im Korridor im Untergeschoss, auch nicht im
Aufzug oder im Korridor im Erdgeschoss. Aber das war auch nicht weiter verwunderlich. Haberdae
hatte darauf bestanden, dass der Stützpunkt Herbst-Drei lediglich mit einer Rumpfbesatzung
bemannte wurde - nur mit so viel Personal, wie er für die Versorgung und Bewachung des einzigen
Gefangenen für absolut erforderlich hielt.
Sparsam im Kleinen und doch verschwenderisch, ging Galway die alte Redensart durch den
Kopf.
Haberdae wartete schon im Kommandoraum. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt, stand hinter
dem Techniker an der Instrumentenkonsole und schaute finster auf die drei aktiven Bildschirme,
die das Innere von Caines Zelle zeigten. Taakh stand wie eine stumme, dräuende Statue in einer
Ecke. »Was tut er gerade?«, fragte Galway beim Betreten des Raums.
»Bisher schaut er sich nur um«, meldete der Techniker. »Ich kann Ihnen aber nicht sagen, ob er
die Kameras schon entdeckt hat oder nicht.«
»Zwei Kameras hat er auf jeden Fall schon erspäht«, sagte Galway und trat neben Haberdae. »Es
wird eine interessante Beobachtung, ob er sie deaktiviert oder sich darauf beschränkt, ihnen nach
Möglichkeit auszuweichen.«
»Ich bin sicher, was auch immer er tut, ist ein Faszinosum«, sagte Haberdae grantig. »Und wenn
Sie in der Zwischenzeit Ihre Aufmerksamkeit wieder auf das aktuelle Thema richten würden - es
braut sich hier möglicherweise ein ernstes
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