Die Judas Variante
wieso sie die Basis überhaupt an der Oberfläche errichtet haben«, sagte Mordecai.
»Wieso haben sie sie nicht gleich unter die Erde verlegt? Wir wissen doch, dass der Boden dafür
geeignet wäre - sie haben schließlich auch Tunnels zu den Bunkern am Zaun gegraben.«
»Zunächst einmal würde der Bau unterirdischer Anlagen viel länger dauern«, führte Shaw aus. Doch
auch er schaute mit einem Stirnrunzeln aufs Papier.
»Oder die Basis ist vielleicht doch nicht so wertvoll, wie sie uns glauben machen wollen«, sagte
Mordecai.
Es trat wieder Schweigen ein, diesmal aber ein längeres.
»Da ist etwas dran«, pflichtete Lathe ihm bei und strich sich nachdenklich über den Bart. »So
gesehen stellt sich die Frage - wieso haben sie nicht gleich die ganze Basis unterirdisch
angelegt?«
Verstohlen schaute Judas in die Runde. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Wenn sie nun
aufsteckten, konnte Galway sich den ganzen Plan abschminken.
Und in diesem Fall gäbe es keine Möglichkeit, seiner Familie in Interlaken mitzuteilen, was
geschehen war. Galway hatte ihnen eine sichere Existenz versprochen, doch unter der
stillschweigenden Voraussetzung, dass Galway weiterhin eine Position einnehmen würde, wo er diese
Garantie auch einzulösen vermochte. Falls die Mission scheiterte, würde der Plinry-Präfekt
wahrscheinlich recht bald bei den Ryqril in Ungnade fallen.
Zu seiner Erleichterung schüttelte Lathe den Kopf.
»Nein«, sagte er. »Haberdae muss inzwischen auf den Trichter gekommen sein, dass Khorstron der
Grund für unsere Anwesenheit ist. Wenn es ihnen egal wäre, ob wir dort hineingelangen oder nicht,
hätten sie letzte Nacht nicht versucht, uns schachmatt zu setzen.«
Judas stieß einen leisen Seufzer der Erleichterung aus. »Zumal auch Lepkowski die Chryselli schon
darüber informiert hat, wie du selbst gesagt hast«, fügte er hinzu. »Wir müssen einfach dort
rein.«
»Stimmt«, sagte Lathe. »Dann sollten wir uns also nicht den Kopf darüber zerbrechen, weshalb die
Ryqril so handeln, wie sie handeln, und uns lieber darauf konzentrieren, wie wir dort
hineingelangen. Tactor?«
»In Ordnung«, sagte Shaw und wählte eine andere Papierrolle aus. »Dies hier beinhaltet eine
detaillierte Ansicht der Peripherie der westlichen Tür...«
In der Mitte der Darstellung war ein breiter, rechteckiger Pfosten zentriert, von dem aus sich in
beiden Richtungen ein geflechtartiges Muster erstreckte.
»Das ist einer der Zaunpfähle von Khorstron«, identifizierte Haberdae das Objekt. »Und
weiter?«
»Schauen Sie es sich gut an«, riet Galway ihm. »Vor allem das obere Drittel.«
»Galway, ich habe keine Zeit für Spiel...« Er brach mitten im Wort ab, als plötzlich ein graues
Projektil vom Rand der Abbildung abgefeuert wurde und im oberen Teil des Zaunpfahls einschlug,
der durch den Einschlag zu einem amorphen Klumpen deformiert wurde. »Was zum Teufel...«, murmelte
Haberdae.
»Sie fragten sich vorhin, wohin Spadafora verschwunden sei?« Galway zeigte auf die Darstellung.
»Da ist er.«
»Wo soll er sein?«, fragte Haberdae missmutig. »Was zum Teufel ist das?«
»Ein Stückchen Plutonium, das in eine Art Spachtelmasse eingebettet und von einem
Blackcollarscharfschützen mit einer Schleuder abgeschossen wurde«, sagte Galway. »Ist schon der
fünfzehnte, den er seit der Morgendämmerung auf dem Pfosten platziert hat. Das heißt, es ist der
fünfzehnte, den wir bemerkt haben - er hat vielleicht noch mehr abgefeuert, bevor wir mit der
Beobachtung begonnen haben. Wie Sie sehen, harmoniert die Spachtelmasse sehr schön mit der Farbe
des Pfostens.«
»Und das soll wozu gut sein?«, fragte Haberdae. »Sie wollen mir doch hoffentlich nicht erzählen,
das Zeug würde so stark strahlen, dass es das Metall des Pfostens zerfrisst und ihn
umlegt.«
»Nein, natürlich nicht«, sagte Galway. »Wenn Sie die Pellets aber auf den Sensoren oder der
Elektronik des akustischen Netzes platzieren - und alle fünfzehn befinden sich an solchen
Stellen -, ist die Strahlung so stark, dass ihre Funktion sich allmählich verschlechtert. Und das
fällt auch gar nicht auf, weil die diagnostischen Sensoren nämlich gleichzeitig gestört
werden.«
Haberdae schaute Galway scharf an, dann richtete er den Blick wieder auf die Anzeige, und dann
schaute er Galway etwas weniger streng an. »Wie drückt sich langsam in Zeiteinheiten
aus?«
»Das weiß ich noch nicht«, sagte Galway. »Stunden, oder vielleicht auch ein paar Tage. Die
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