Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
Eigenschaften, um diesem Zorn Gottes zu widerstehen? David Jefferson war klug und umgänglich. Er besaß die nötigen Eigenschaften, um in allen Teilen der Bevölkerung gut anzukommen. Von hispanischer Abstammung, dunkelhäutig, schlau, groß gewachsen, mit einer Vielzahl von Universitätsabschlüssen, aus kleinen Verhältnissen stammend und entschlossen, Erfolg zu haben, war er fähig, alles zu seinen Gunsten und, wichtiger, zum Vorteil jener zu wenden, denen er im Geheimen diente. Durch einen rigorosen Ausleseprozess war er vom System aus Hunderten von politischen Kandidaten ausgewählt worden, und man hatte ihn derart gut geschult, dass er die Eigenschaften und sprachlichen Fähigkeiten erwarb, die nötig waren, um für die Wähler unwiderstehlich zu werden. Außerdem halfen Schönheitschirurgen nach, die äußere Erscheinung aufzupolieren, sie für die Werbung geeignet zu machen. Jefferson hatte freundliche Gesichtszüge, einen Südstaatenakzent, eine muskulöse Figur (er achtete darauf zu trainieren und dass man ihn dabei sah), und er wusste, wie er nötigenfalls seinen Charme einsetzen musste. Bereits im Alter von vierzig Jahren hatte er die Spitze des amerikanischen politischen Systems scheinbar mühelos (und mit etwas Hilfe von Freunden) erreicht und hatte vor, dort zu bleiben.
Dieses Produkt des Systems besaß allerdings einen verhängnisvollen Fehler – den er mit seinem italienischen Amtskollegen, Martinelli, teilte. Im Herzen war er ehrlich. Er war sich bewusst, dass er in das höchste Amt nur durch sein Versprechen gelangt war, im Interesse des Systems zu handeln, und dass er das amerikanische Wahlvolk verraten hatte. Und wie sein italienischer Amtskollege hatte auch Jefferson diese Wahrheit nie vor sich selbst zugegeben. Niemals hatte er, tief im Herzen, auch nur ansatzweise in Betracht gezogen, ein böser Mensch zu sein. Für ihn war ein böser Mensch jemand, der andere tötete oder ihnen Schmerzen zufügte. Er war ein guter Mensch, der einfach nur mit ein bisschen heimlicher Hilfe an die Spitze gelangt war, oder? Wussten das nicht alle?
Weil er mit diesem Makel behaftet war, hatte Jefferson nie darüber nachgedacht, wie das Böse das Urteilsvermögen eines Menschen verdunkelt und verzerrt. Er war sicher, dass er, als er drei Jahre zuvor ins Amt kam, ein gutes Urteilsvermögen bewiesen hatte, und war zudem überzeugt, dass sich im Laufe der folgenden drei Jahre nichts daran geändert hatte. Aber stimmte das? Nach und nach war seine Urteilskraft dem Druck erlegen, den jene auf ihn ausübten, nach deren Pfeife er tanzte – die Marionettenspieler. In Übereinstimmung mit ihren Wünschen hatte Jefferson die Umweltschützer belächelt, weil ihre Vorschläge die Geschäfte derer beeinträchtigten, die ihn an die Macht gebracht hatten. Außerdem hatte er alles in seiner Macht Stehende getan, um den militärischen und globalen Einfluss seines Landes auszuweiten und die Regierungen kleinerer Länder zu schwächen, wenn dies dem nationalen Interesse diente. Schließlich hatte Jefferson alles Erdenkliche getan, den Reichtum der sehr Reichen zu mehren. Es waren die Superreichen – er erinnerte die Menschen in seinen Ansprachen oft daran –, die die Nation am Laufen hielten. Von ihren Fähigkeiten und ihrem Reichtum profitierten alle. Insgeheim war er sich freilich sehr wohl bewusst, dass die Superreichen Riesensummen zur Wahlkampagne seiner Partei beigesteuert hatten. Und es waren die Superreichen, die ihm halfen, an der Macht zu bleiben – Menschen, die mehr als ihren Anteil von den Früchten der Erde nahmen und die dafür sorgten, dass die Armen arm blieben.
Als die Meere zu sterben begannen, versuchte Jefferson mit der neuen Lage zurechtzukommen. Dass er Umweltfragen bislang ignoriert hatte, war zwar nicht hilfreich, doch als wendiger Politiker wusste er, wie man mit der Wahrheit umging – und diese negative Wahrnehmung änderte. Indem er sich zum obersten Umweltschützer erklärte, initiierte er eine Denkfabrik, eine Initiative, eine Behörde nach der anderen. Schließlich gab es ja kein Problem in der Welt, das sich nicht dadurch lösen ließ, dass man Beamte darauf ansetzte – nichts konnte sie besiegen. Ungeachtet dessen starben die Meere auch weiterhin. Natürlich hatte Jefferson wenig Talent zur Innenschau – darüber nachzudenken, dass es zum Teil
er
war, der versagt hatte, die Natur zu schützen. Außerdem dachte er nicht im Traum daran, zur Seite zu treten, um einem anderen das Amt
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