Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
werde Herr über ihn!
Hierauf sagte Kain zu seinem Bruder Abel: Gehen wir aufs Feld! Als sie auf dem Feld waren, griff Kain seinen Bruder Abel an und erschlug ihn.
Also, damit konnte er etwas anfangen. Alle Klarheiten beseitigt.
»Soll ich es noch mal versuchen?« Mit etwas Glück traf er vielleicht das Register.
»Nein.«
Jussef klappte die Bibel zu und steckte sie in seine Umhängetasche zurück. Er hielt den Regenschirm hoch und ging neben Josua, während sie den Aufstieg fortsetzten. Sie hatten erst ein Drittel der Strecke zurückgelegt, und sein Schüler schlurfte schon wie ein alter Mann, der Schmerzen litt. Während sie weitergingen, sannen sie über die Bibelworte nach. Zumindest Josua. Jussef blickte auf die trostlose Landschaft. Warum, um Himmels willen, war der heilige Antonius hierhergekommen? Der arme Kerl musste wohl etwas plemplem gewesen sein. Hier war doch
nichts
. Wie konnte jemand Gott im Nichts finden? Das ergab doch keinen Sinn. Sie gelangten zu einer Kehre des Bergpfads. Eine große Müdigkeit überkam Jussef. Sein Gefährte strauchelte, und er streckte die Hand aus, um ihn festzuhalten. Die Schläfrigkeit wurde immer größer. Immer noch unter den Lebenden und wach, betraten sie die spirituelle Welt, noch während sie gingen.
* * *
Die spirituelle Wüste. Sie waren nicht allein, so wie auch der heilige Antonius nicht allein gewesen war, denn die spirituelle Wüste war die Heimat der gefallenen Engel.
Erschöpft und immer schwerfälliger gehend, geriet Josua in einen Traumzustand. Er erblickte vor sich einen Schleier – das Nadelöhr. Diesmal hatte er nicht das Gefühl, in einem Labyrinth eingesperrt zu sein; und auch keine Angst, in einen spirituellen Abgrund zu stürzen. Stattdessen verlief seine Reise aus der menschlichen in die spirituelle Welt so rasch, wie wenn man ein anderes Zimmer, ein anderes Haus betritt. Mit dem Gefühl, außerhalb seines Körpers zu sein, ging er durch eine Tür und über einen Gang. Dort begegnete er einem knienden Mann, der an einer Mauer betete. Papst Johannes XXVI . blickte auf und begrüßte ihn freundlich lächelnd. Er deutete auf die rote Mauer; in ihrer Mitte erschien auf geheimnisvolle Weise eine Tür.
Nach einigem Zögern trat Josua über die Schwelle. Kurz darauf befand er sich wieder auf dem Bergpfad, doch die Landschaft hatte sich radikal verändert. Anstatt einer Wüste gewahrte er tief unten ein Tal – ein unglaublich grünes und fruchtbares Tal; es war eine wahre Freude, es zu betrachten. War dies die Erde, oder befand er sich auf einem anderen Planeten? Die Szenerie näherte sich seinem spirituellen Blick, so als hätte ein Flügelwesen ihn emporgehoben und trüge ihn. Mit einem Mal flog er über das Tal hinweg. Dann schwebte er sanft nach unten und landete in einem Hain. In dessen Mitte befanden sich weiße Steine, die kreisförmig ausgelegt waren. Solche Steine hatte er auf der Erde noch nie gesehen, denn sie waren fast durchsichtig. Er zählte sie; es waren zwölf. Kinder tauchten aus dem Nichts auf und begannen, im Kreis der Steine zu spielen. Sie ähnelten Menschenkindern, doch ihre Gesichter erstrahlten außerordentlich hell und trugen keinerlei Spuren des Alters. Josua hörte, wie eines der Kinder ausrief: »Er ist gekommen!«
Da lief ein Kind aus dem Steinring und verschwand. Gleichzeitig tauchten Personen zwischen den Bäumen auf. Sie waren größer als Menschen, ihre Gesichter schärfer geschnitten und schmaler. Sie betraten den Kreis und setzten sich auf die Steine. Sie musterten den Neuankömmling überaus freundlich, als begrüßten sie einen lange verlorenen Freund.
»Josua, du kannst nicht weitergehen.« Jussef wollte ihm aufhelfen, denn er war gestolpert und wieder hingefallen. »Wir müssen umkehren.«
»Nein.«
Der Priester war zutiefst besorgt; sie hatten erst die Hälfte der Strecke zur Höhle zurückgelegt, aber Josua torkelte bereits jetzt wie ein Betrunkener. Jussef erschrak, als er Josuas Gesicht sah; es war schmerzverzerrt.
»Josua, bitte!«
»Die Früchte des Bodens sind die Dinge der Erde.«
»Wie bitte?«
»Pater, ich muss weiter.«
Jussef zögerte; dann drückte er Josua an sich. Dabei fiel ihm der Regenschirm aus der Hand. Sie gingen weiter.
»Aber was für eine Herde hütete Abel?« In seinem Delirium redete Josua mit den Gestalten in dem Hain. Ein Teil seines inneren Selbst erkannte einen von denen, die auf den weißen Steinen saßen und ihm antworteten. Der andere Teil blieb verdunkelt,
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