Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
gehören, die bis zuletzt überleben.«
Jefferson hatte seinen Vizepräsidenten noch nie derart heftig erlebt. Wie war es zu dieser Veränderung seit ihrem letzten Zusammentreffen gekommen, als Woods die Zurückhaltung in Person war? Wusste er irgendetwas, oder war er nur in Panik geraten?
»Die Maßnahme wäre verfrüht. Wir wissen noch nicht, wie sich die Dinge entwickeln.«
»Nein, Sir, aber die Iraner … der iranische Präsident hat mich vor zwanzig Minuten angerufen. Die wollen mit uns reden. Er will, dass sofort jemand dorthin fliegt.«
»Warum?« Jefferson bekam einen trockenen Mund.
»Die Epidemie hat das Land schwer getroffen. Man schätzt, dass bis Ende der Woche fünfundsiebzig Prozent der Bevölkerung tot sind.«
»Fünfundsiebzig Prozent!«
»Die Iraner gehen davon aus, dass unser gesamter Planet aussterben könnte; sie wollen mit uns kooperieren, um herauszufinden, was getan werden kann.« Woods machte eine Pause. »Vielleicht wissen die ja etwas, was wir nicht wissen.«
»Ich werde darüber nachdenken.«
Woods hatte dem Präsidenten in den drei Jahren, in denen er ihm als Vizepräsident diente, noch nie widersprochen, seine Loyalität war absolut. Dieses Mal war es anders, die Existenz der Menschheit stand auf dem Spiel.
»Mr. President, ich empfehle, dass wir …«
»Ich denke darüber nach, habe ich gesagt«, erwiderte Jefferson barsch. »Die Entscheidungen hier treffe immer noch ich.«
»Ja, Sir.« Woods sank das Herz; der Präsident hatte ihn missverstanden. Er versuchte keinesfalls, seine Position zu untergraben.
»Die schwarze Mappe.«
Der Vizepräsident reichte ihm das fatale Dokument. »Wie Sie mich gebeten haben, enthält die Mappe die Nachfolgeregelung für den Fall, dass Sie und ich sterben. Außerdem das Prozedere für die Abriegelung sämtlicher Atomwaffenstützpunkte und Militäreinrichtungen.«
»Was ist mit den Russen und den Chinesen?«
»Stellen keine Bedrohung mehr dar, ihre Armeen haben sich aufgelöst. Sie haben ihre Nuklearanlagen abgeriegelt, um zu verhindern, dass ihre Atomwaffen in die falschen Hände fallen. Wir sollten das Gleiche in Betracht ziehen.« Woods zeigte auf die Mappe. »Zwei unserer Atomwaffenstützpunkte berichten, dass mehrere Mitarbeiter erkrankt sind. Sie haben um die Genehmigung ersucht, ihre Basen vorübergehend zu schließen, falls es sich um den Erreger handelt.«
»Nein. Die Männer bleiben auf ihrem Posten.«
»Und auf einem unserer Atom-U-Boote sind mehrere Besatzungsmitglieder erkrankt. Es befindet sich zurzeit vor der Küste Chinas.«
Jefferson fluchte laut; er wollte nicht, dass U-Boote voller Leichen auf den Weltmeeren herumtrieben. »Ich beordere das U-Boot in seinen Heimathafen zurück. Lassen Sie mich den Rest lesen!«
Woods erhob sich; die Unterredung war zu Ende, doch er würde es noch einmal versuchen. Offensichtlich war sein Chef sich über den Ernst der Lage nicht im Klaren. »Sir, ich finde, ich sollte in den Iran fliegen. Der iranische Präsident hat mir gesagt, dass überall in seinem Land Vögel vom Himmel fallen.«
»Vögel?«
Tränen traten in die blauen Augen des – älteren – Vizepräsidenten. »Ja, Sir. Die Vögel sterben an dem Virusinfekt. Ich glaube, Sir, dass die Menschheit ausgelöscht werden könnte. Wir
müssen
etwas unternehmen.«
»Ich werde darüber nachdenken.«
* * *
Nachdem der Vizepräsident gegangen war, schaute Jefferson aus dem Fenster. Ihm war kalt – kalt vor Angst. Er konnte die Angst förmlich spüren. Sie hätten diesen italienischen Virologen niemals nach Teheran gehen lassen dürfen. Natürlich war das Geschichte; es ließ sich nicht mehr ändern. Wie hätten sie denn wissen können, dass die Iraner das Virus perfektioniert hatten? Aber wenn er seinen Vizepräsidenten in den Iran schickte, kam der möglicherweise hinter die Wahrheit: die Beteiligung der USA und Italiens. Und Woods würde nicht schweigen. Trotz seiner Loyalität ihm als Präsidenten gegenüber würde er erklären, dass er dem amerikanischen Volk zu größerer Treue verpflichtet sei.
Jefferson ging zu seinem Schreibtisch, zog eine Schublade auf und holte eine Mappe hervor, die ihm sein verstorbener CIA -Chef gegeben hatte. Sie enthielt eine handgeschriebene Notiz. Er las sie abermals.
Das Problem bestand darin, dass die CIA noch etwas anderes herausgefunden hatte, allerdings zu spät. Die Italiener hatten einen Verräter in ihrer Mitte.
36
Süß ist gestohlenes Wasser, heimlich entwendetes Brot
schmeckt
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