Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
lecker. Und er weiß nicht, dass Totengeister dort hausen,
dass ihre Gäste in den Tiefen der Unterwelt sind.
Sprüche 9,17
E s ist moralisch nicht verwerflich, einen Safe zu öffnen, wenn er vielleicht etwas enthält, das der Kirche helfen könnte.«
Kardinal Rienzi wusste, wie man notfalls ein gutes theologisches Argument vorbrachte, und jetzt war er besonders erpicht darauf. In der Miene seiner beiden Kardinalskollegen spiegelte sich Zweifel. Sie konnten sich zwar nicht genau erinnern, wo Christus gesagt haben soll, dass es akzeptabel sei, einen Tresor zu knacken, doch die Bibel konnte ja auf vielerlei Weise ausgelegt werden. Außerdem gab es da eine nützliche Stelle bei Matthäus, wo Christus verkündete: »Klopft an, dann wird euch geöffnet.« Die beiden Mitverschwörer wunderten sich noch immer, dass Rienzi das mit dem Schlüssel des Präfekten gewusst hatte – und auch, wo genau er nachsehen musste. Trotzdem: Es konnte göttliche Vorsehung gewesen sein. Nun schauten sie zu, wie Rienzi sich neben den Tresor hinkniete. Beim dritten Schlüssel ertönte ein erfreuliches Klicken, und die Tür ging auf.
»Leuchten Sie mal mit der Taschenlampe hierher!«
Rienzi beugte sich vor und untersuchte den Inhalt des Tresors. Nicht viel drin. Ein paar seltene Bücher und Handschriften. Er zog sie einzeln heraus und reichte sie nach oben, wobei er vorher kurz einen Blick darauf warf. Danach kam ein Wust von Papieren – Aufstellungen im Zusammenhang mit dem Geheimarchiv. Dann Listen von Büchern, die verkauft worden waren. Schließlich fiel der Lichtschein der Taschenlampe auf ein Kuvert. Rienzi lächelte verstohlen. Er steckte den Umschlag unauffällig ein; zu wichtig, als dass seine Kollegen ihn in diesem entscheidenden Moment zu Gesicht bekamen. Was sonst noch? Ein halb geschriebener Roman. Offensichtlich hatte der Präfekt kurz davorgestanden, vom Glauben abzufallen. Und dann war der Safe leer geräumt.
»Nichts zu finden. Nichts über die Münzen des Judas«, sagte eine Stimme enttäuscht.
»Stimmt. Ich habe mich geirrt. Wir müssen anderswo nachforschen.« Rienzi hustete. »Ich lege die Dokumente wieder hinein und bringe die Schlüssel zurück. Sie können zu Bett gehen.«
Die beiden Kardinäle stimmten eifrig zu. Es hatte sie beunruhigt, mitten in der Nacht den Tresor zu öffnen, doch jetzt hatten sie ein reines Gewissen. Sie hatten nichts gefunden, und deshalb hatten sie nichts Strafbares getan. Rienzi wartete, bis sie gegangen waren. Dann setzte er sich an den Schreibtisch des Präfekten und zog das Kuvert aus der Tasche. Der Umschlag war nicht adressiert, enthielt aber einen Brief und vier Schlüssel.
»Wie interessant«, murmelte Rienzi.
Bei dem Schriftstück handelte es sich um einen handschriftlichen Brief des Papstes an den Präfekten. Darin wies der Papst diesen an, spätnachts zwei Ausländer an einer der Seitentüren in der Vatikanischen Mauer zu treffen. Sie würden sich durch die Namen Jussef und Josua ausweisen. Der Präfekt solle sie zum Turm der Winde bringen und dann zur päpstlichen Kapelle. Angefügt war dem Brief eine handgezeichnete Karte, die Rienzi mit wachsendem Erstaunen las. Unglaublich! Ein unterirdischer Gang führte unter dem Turm der Winde zum Petersdom und von dort zu den päpstlichen Gemächern.
Rienzi lehnte sich im Stuhl des Präfekten zurück. Wer waren diese Gäste? Und warum hatte der Präfekt den Brief und die Karte nicht vernichtet? Rienzi sah sich die vier Schlüssel genauer an. Vermutlich diente einer dazu, die Tür zum Gang unter dem Turm zu öffnen. Und die anderen? Er schaltete die Schreibtischlampe aus. Im Dunkeln fiel ihm das Denken leichter. Er ließ den Inhalt des Briefs und die Karte auf sich wirken. Minuten verstrichen. Plötzlich hörte er, dass sich die Tür zum Arbeitszimmer des Präfekten öffnete. Verängstigt tastete er nach der Schreibtischlampe, konnte sie aber nicht finden. Er streckte beide Arme aus und fuchtelte herum, bis er gegen die Lampe stieß. Er schaltete sie an. Nichts. Doch dann nahm er eine ganz leichte Bewegung des kupfernen Türgriffs wahr. Oder bildete er sich das nur ein? Rienzi wischte sich den Schweiß von der Oberlippe und stand auf. Er legte die Dokumente in den Safe zurück, verschloss ihn und löschte die Schreibtischlampe. Im Licht seiner Taschenlampe öffnete er die Tür und trat in den Korridor. Wie kam er zum Geheimarchiv zurück? Musste er sich links halten? Im Gehen wurde seine Verwirrung größer. Höchst
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