Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
holen sie am Ende ein. Wäre er nicht Präsident gewesen – wäre die Politik nicht korrumpiert gewesen –, dann hätte Woods oder ein anderer dieses großartige Amt bekleiden können. Hätten sie die Dinge anders gehandhabt? Andererseits: Alle Menschen machen Fehler – manchmal riesige. Es ist ihr Schicksal.
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Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehnis
unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit:
eine Zeit zum Gebären und eine Zeit zum Sterben,
eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit zum Abernten der Pflanzen, eine Zeit zum Töten und eine Zeit zum Heilen,
eine Zeit zum Niederreißen und eine Zeit zum Aufbauen.
Prediger 3,1
R oberto Martinelli hatte gepackt. Es gab eine Zeit, geboren zu werden, und eine Zeit zu sterben. Es gab auch eine Zeit zu fliehen, und jetzt war der richtige Zeitpunkt. Er warf ein paar Seidenhemden und farbenfrohe Krawatten in den Krokodillederkoffer. Normalerweise erledigte das seine Frau oder seine Geliebte. Solche Helfer sowie Bedienstete waren im Moment jedoch Mangelware – wie Menschen überhaupt. Der Mensch, diese so zahlreiche Spezies, verließ die Erde – zumindest für einige Zeit. Aber der Mensch würde zurückkommen, und Martinelli würde dazu beitragen. Ob er den Planeten würde allein wieder bevölkern können, da war er sich nicht sicher, aber er hatte durchaus die Absicht, es zu versuchen, und – vorausgesetzt, es gab da eine hübsche Frau – sein Bestes zu geben. Schließlich hatte jedes Unglück auch sein Gutes – wenngleich sich hinter diesem Guten oft ein weiteres Unglück verbarg.
Der italienische Ministerpräsident stand im Schlafzimmer seiner Wohnung im fünften Stock des Präsidentenpalasts. Er trank noch einen Schluck Cognac und sah sich um. Zwei Krokokoffer, nicht besonders gut gepackt. Das Personal auf der Insel würde das jedoch in Ordnung bringen. Weder diese Wohnung noch Rom würden ihm fehlen. Angesichts der wegsterbenden Bevölkerung war es definitiv eine gute Idee, Urlaub zu machen. Wenn die Informationen zutrafen, hatte Italien bis Mitte nächster Woche neunundneunzig Prozent seiner Bevölkerung verloren, und Martinelli hatte keine Lust, einer der Toten zu sein. Hoffentlich waren unter den Überlebenden ein paar Bestatter. Er trank noch einen Schluck Cognac.
Natürlich würde er in einem Monat nach Rom zurückkehren, denn er bezweifelte, dass alle Menschen sterben mussten. Das würde nur bedeuten, in Panik zu verfallen, so wie alle anderen. Selbst wenn nur ein Prozent der italienischen Bevölkerung überlebte, wären das sechshunderttausend Menschen, wobei der Anteil der Jungen und Alten geringer wäre.
Was tun? Er würde anordnen, dass alle in die Hauptstadt kommen sollen, um dem Land einen Neustart zu bescheren. Viele würden wohl vor Angst wegbleiben, doch viele würden auch kommen, und die, die in Rom überlebt hatten, wären ohnedies hier. Er würde das Sagen haben – der Präsident und große Führer. Was würden sie essen, jetzt, wo alle Tiere tot waren? Vielleicht hatten ja ein paar Tiere überlebt, und die Fischbestände könnten sich auch regenerieren. Man könnte die ökologische Landwirtschaft weiterentwickeln. Die Menschen besaßen enorm viele Grundstücke und Häuser, sie könnten sich also die Rosinen herauspicken. Er würde ein Gesetz zur Landneuverteilung erlassen und dafür sorgen, dass er selbst dabei nicht zu kurz kam. Er hätte auch nichts gegen eine Straße im exklusivsten Stadtteil Roms für sich allein einzuwenden – den Martinelliweg. Ein Parlament oder Politiker wären überflüssig, denn er würde fürs Erste zusammen mit einem Militärrat regieren. Und sein Telecom-Imperium würde von Anfang an eine Führungsposition einnehmen.
Mehr noch: Er würde Gesetze erlassen, die ihm das Monopol einräumten. Ja, das wäre am leichtesten. Vieles andere würde sich ändern. Und wenn es mehr Männer als Frauen gab? Na ja, man könnte das Gesetz ändern, so dass ein Mann mehr als eine Frau haben durfte. Oder sollte man vielleicht die Institution der Ehe abschaffen? Sie war ohnehin irrelevant geworden.
Hustend öffnete er eine Schublade und griff nach weiteren Hemden. Er war sich nicht sicher, wie lange er auf der Insel bleiben würde, und konnte den Gedanken nicht ertragen, kein Maßhemd dabeizuhaben. Hoffentlich überlebten ein, zwei anständige Schneider! Es gab so viel – so viel –, was er für die Zukunft planen musste. Die Wahrheit war: Er fand die Sache immer aufregender. In den letzten
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