Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
seiner Firmen mit Öl zu tun, also war für ihn auch kein Geld damit zu verdienen.
»Wie auch immer«, beschwerte sich Tiziano. »Wir haben keine Armee mehr, nur Einzelpersonen. Der Chef der Streitkräfte ist krank. Wir müssen einen Nachfolger ernennen.«
»Krank? Ich habe doch noch heute Vormittag mit ihm gesprochen!«
Tiziano schüttelte den Kopf. »Heute Morgen war heute Morgen. Ich übernehme den Job.«
Der italienische Ministerpräsident trat näher ans Mikrofon auf seiner Seite der Schutzwand. Schmiedete sein bester Freund ein Komplott, oder reagierte er auf die Krise? Tizianos Lächeln wirkte so spöttisch wie immer.
»Was ist mit General Bartollo?«
»Ist vor zwei Tagen gestorben.«
»General Pinero?«
»Tot. Wie auch immer, womöglich dauert es nicht mehr lang. Hast du dir die Statistiken angesehen?«
»Ja«, erwiderte Martinelli barsch. »Achtundneunzig Prozent der Bevölkerung werden in den nächsten vier Tagen tot sein. Bist du mit anderen Ländern in Kontakt?«
»Hat keinen Sinn. Die haben nicht die Manpower, außerdem können die nichts tun, um uns zu helfen. Nur die Amerikaner stehen noch mit uns in Kontakt. Wie wir haben sie alles geschlossen. Apropos: In zwei Stunden wird in Rom der Strom abgeschaltet. Die Notfallgeneratoren hier werden noch ein paar Tage länger in Betrieb bleiben, aber dann bist du ja nicht mehr hier.«
»Ich brauche Hilfe mit meinen Koffern«, sagte Martinelli. »Was ist mit dem Papst? Soll ich ihn fragen, ob er mitfliegen will?«
»Er hat öffentlich gesagt, dass er Rom nicht verlässt.«
Der Präsident hob die Schultern. Manche Leute waren eben Trottel. Sollte Gott sie doch schützen! »Und dein Plan?«
»Ich hole meine letzten Leute hierher und mache den Palast zu unserem Hauptquartier. Ich komme auf die Insel nach, wenn die Bevölkerungszahl unter ein Prozent fällt. Übrigens, ich habe die Wein- und Cognacvorräte aufgestockt. Ach ja, ich habe auch dafür gesorgt, dass die Mitarbeiterinnen hübsch sind.«
Martinelli schmunzelte. Der gute alte Tiziano, er war ein offenes Buch für ihn. Was wollte man noch mehr? Sie würden die Sache gemeinsam durchziehen.
»Gute Reise!«, sagte sein Geheimdienstchef. Er trat an die Schutzwand und berührte die Glasabtrennung mit den dicken Handschuhen, die er trug. »Roberto, wenn wir uns nicht wiedersehen …« Seine Stimme zitterte ein wenig. »Es war eine großartige Freundschaft. Danke.«
Der Präsident starrte ihn von seinem Platz hinter der Glaswand an. Noch nie war Tiziano so emotional gewesen. Sarkastisch, herablassend, brutal, ja, aber noch nie so. Er trat an die Trennwand. Gespielt schüttelten sie einander die Hand. Tränen traten in die Augen des Chefs. Was für eine Freundschaft!
»Bis dann auf der Insel. Wird schon schiefgehen.«
»Addio.«
Martinelli sah zu, wie Tiziano sich entfernte, und ging dann die Treppe zu seiner Wohnung hinauf. Als er das Wohnzimmer betrat, rief seine Sekretärin an.
»Herr Ministerpräsident, Ihre Freundin Caterina. Sie hat immer wieder angerufen. Sie möchte, dass Sie sie besuchen. Sie klingt verzweifelt …«
»Nein«, unterbrach der Boss alarmiert. Was interessierte ihn das? Was war eine ehemalige Geliebte denn schon wert?
»Sie sagt, sie hätte entscheidende Informationen, es gehe um ein Geheimnis bezüglich der Insel.«
Martinellis Hand verharrte über dem Telefon, er wollte auflegen. Wieso wusste Caterina über die Insel Bescheid?
»Was für ein Geheimnis?«
»Das hat sie nicht gesagt, aber sie behauptet, Sie würden in Lebensgefahr schweben.«
»Nehmen Sie keine weiteren Anrufe entgegen!« Martinelli legte auf. Es war eine List, um ihn wiederzusehen. Jetzt, wo ihr Bodyguard-Freund wahrscheinlich tot war, fühlte sie sich in Bari bestimmt abgeschnitten von allem. Na und. Sie konnte dort sterben, wenn’s nach ihm ging. Sie hat ihn betrogen.
Noch eine halbe Stunde, dann würde es dämmern. Gelangweilt ging Martinelli in sein Arbeitszimmer und stöberte in den Schubläden seines Schreibtischs, um ein paar Kabinettsunterlagen zu vernichten. Zufällig stieß er dabei auf einige Liebesbriefe, die Caterina ihm geschrieben hatte. Er zerriss sie und warf sie in den Papierkorb. Auf der rechten Seite seines Schreibtischs lag ein Stapel weiterer Unterlagen, darunter eine kleine Bibel; eine, die er benutzte, wenn er angehende Minister vereidigte. Er nahm sie, wollte sie gerade in den Papierkorb werfen, da glitt sie ihm aus der Hand. Martinelli hob die Bibel auf, die Seiten
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