Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
gesehen?«
Der Boss drückte einige Tasten auf dem Computer, und eine Karte der Welt erschien. Der Globus war gelb und weiß. Das Virus gewann.
»Wo bist du? Bist du in den Palast gezogen?«
»Ja. In Rom ist der Strom ausgefallen. Wie auch die Wasserversorgung und sämtliche Kommunikationsverbindungen. Nur der Vatikan und wir sind übrig.«
»Welche anderen Weltnachrichten gibt es?«
»Der chinesische Staatspräsident und der britische Premierminister sind tot. Das haben mir die Amerikaner mitgeteilt. Sie haben den Kontakt zu den Russen und zu Lateinamerika verloren. Morgen wird Rom nach unseren Schätzungen nur noch fünfzigtausend Einwohner haben. Niemand wird in den Palast hereingelassen, und wir senden auch nicht mehr, weil sich hier drei Leute mit dem Virus angesteckt haben. Ach ja, und der Papst hat eine weitere Ankündigung gemacht.«
»Was hat er gesagt?«
»Weiß ich nicht mehr.«
»Halt mich auf dem Laufenden!« Martinelli setzte sich noch näher an den Monitor, wollte jede Nuance in den Zügen seines Freundes entdecken, wollte, dass sie ihm irgendeine verborgene Emotion verrieten. »Caterina lässt dich grüßen.«
Tiziano lachte über den Witz. Oder war da ein ganz kleines Unbehagen zu sehen?
Martinelli beendete das Gespräch. Er stand vom Computer auf, ging zur großen Glastür und drückte sie auf. Er schlenderte auf den Balkon und sah die Lichter des Militärlagers weit unten und auch die blinkenden roten Lichter des Hubschraubers, der zum Landeplatz der Villa zurückkehrte. Aber die Eindrücke drangen kaum zu ihm durch – auch nicht der Umstand, dass die Menschheit starb.
Wen kümmerte schon die Menschheit? Stattdessen wurde er von Eifersucht und Wut gepeinigt. Schmiedete sein bester Freund insgeheim ein Komplott gegen ihn – um das Amt des Ministerpräsidenten und seine Geliebte zu übernehmen? Hatte er arrangiert, dass man ihn, Martinelli, herbrachte, um ihn umzubringen? Oder waren das alles Lügen von Caterina, die damit ihren sexuellen Betrug und ihren verzweifelten Wunsch vertuschen wollte, der Seuche zu entkommen? Hasste sie Tiziano wirklich, oder war sie seine Geliebte? Von Zweifeln übermannt, schaute Martinelli auf das Meer. Gewiss, diese Welt war furchtbar, ein schrecklicher Ort voller Heimtücke und Verbrechen. Sein bester Freund und seine Geliebte. Die einzigen Menschen, die ihm geblieben waren, und einer, oder beide, hatten ihn betrogen – oder standen kurz davor.
»Liebling, alles in Ordnung mit dir?«
Er spürte, wie ihn weiche Arme umschlangen. Caterina küsste ihn auf den Hinterkopf. Er ignorierte sie. Wenn Tiziano ihn betrog, dann musste er etwas wissen, was Martinelli nicht wusste. Es konnte auch nur bedeuten, dass Tiziano glaubte, die Welt gehe nicht zu Ende, besser gesagt: für ihn nicht zu Ende. Wie lautete die Antwort auf dieses knifflige Rätsel? All die wirbelnden Gefühle rissen ihm förmlich das Herz entzwei. Was hatte der Papst noch gleich zu ihm gesagt?
»Sie werden ernten, was Sie säen.«
Hatte er, Martinelli, diesen Betrug gesät? Unmöglich, er war der Unschuldige. Er wandte sich zu Caterina um und knöpfte ihre halboffene Bluse weiter auf. Er liebkoste ihre vollen Brüste, damit die Spitzen hart wurden. »Zeit fürs Bett«, sagte er. Wen kümmerte da die Zukunft der Welt? Es gab Wichtigeres zu tun – wie zum Beispiel herauszufinden, wer ihn hinterging.
54
Viel vermag das inständige Gebet eines Gerechten.
Jakobus 5,16
W ach auf! Ein Wunder ist geschehen!«
Josua erwachte. Er lag in seiner Mönchszelle, das Gesicht des hocherfreuten Jussef strahlte ihm aus dem Türrahmen entgegen. Tageslicht strömte ins Zimmer.
»Wir sind gerettet!«
Noch ehe Josua fragen konnte, wer mit »wir« gemeint war, sprudelte es aus dem Priester weiter überschwenglich hervor: »Pater Hassan – er ist den weiten Weg von Alexandria hierhergefahren, um uns zu retten.«
»Aber er kann doch gar nicht Auto fahren.«
»Dann rate mal, wer ihn gefahren hat?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Die Tochter des Taxifahrers, die, die dir so gefällt.«
Josua setzte sich im Bett auf; sein Herz schlug schneller.
»Dachte mir schon, dass es dich freuen wird«, sagte Jussef und grinste übers ganze Gesicht. »Das heißt nämlich, dass wir hier rauskommen. Es bedeutet, dass wir
frei
sein werden.« Am liebsten hätte er das Wort herausgeschrien. Er wusste genau, was er tun würde, wenn er zu seiner Kirche zurückkehrte; er würde den Altar tausendmal küssen. Zu Hause –
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