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Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Titel: Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott McBain
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Rom flog und Tiziano gegen ihn intrigierte, wenn das Komplott aufgedeckt wurde, dann würde sein Geheimdienstchef wahrscheinlich versuchen, ihn umzubringen. Aber wenn er auf die Insel flog und so tat, als habe er sich aus einer Laune heraus mit Caterina versöhnt, dann verschaffte ihm das Zeit, und er konnte die Wahrheit herausfinden.
    »Zur Insel.«
    Hinten im Hubschrauber küsste Martinelli seine Geliebte und drückte ihren warmen, pulsierenden Körper an sich. Das Leben war Leidenschaft, das Leben war Sex, und Sex war es wert, dass man ihn bis zum Ende genoss.

52
    Er fragte mich: Menschensohn,

können diese Gebeine wieder lebendig werden?
    Hesekiel 37,3
     
    I n der Sakristei setzte Pater Hassan seine Schutzmaske wieder auf. Er hatte gerade die Messe gelesen, aber die Schutzmaske nicht getragen, weil es ihm einfach nicht richtig erschien. Es hätte auf mangelnden Glauben hingedeutet und seiner Gemeinde die falsche Botschaft vermittelt. Noch nie war er beschäftigter gewesen. Alexandria mochte zwar von der Seuche verwüstet sein, aber seine kleine Kirche war voll. Der Grund war ihm klar. Hatten die Menschen Angst vor dem Sterben und den Glauben an ihre weltlichen Führer verloren, dann wandten sie sich dem Einen zu, der übrig geblieben war: Gott. Es mochte spät sein, es mochte im Moment des Todes sein, aber es war immer das Gleiche: In all den Jahren hatte Pater Hassan kaum einen Menschen erlebt, der diese Welt verließ, ohne um göttlichen Beistand zu bitten. Im Leben mochten einige die lautstärksten Leugner jeder Gottheit gewesen sein, doch in ihren letzten Augenblicken, wenn sie auf dem Sterbebett lagen und sich der Ewigkeit gegenübersahen, riefen sie oftmals Gott an. Weil sie Angst hatten? Oder weil sie etwas sahen, das sie befähigte, eine Möglichkeit zu begreifen, die sie bislang zurückgewiesen hatten? Blickten sie zum ersten Mal in das Gesicht ihres Schutzengels?
    Drei der angehenden Priester waren an der Seuche gestorben, nur einer hatte überlebt. Sie beide hatten es kaum geschafft, die Kirche offen zu halten, sich um die Sterbenden zu kümmern und einmal täglich die Messe zu lesen. In Alexandria war die Seuche wie ein Wirbelsturm durch die Stadt gefegt, weil die Gebäude so eng beieinanderstanden und weil es den Krankenhäusern an fast allem mangelte – darunter Schutzanzügen und Schutzmasken. Es ging das Gerücht, dass nur einer von zwanzig Einwohnern der Stadt überlebt hatte, und Hassan glaubte es. Im Gefolge der Seuche waren andere Schrecken über sie hereingebrochen. Banden von Kriminellen – gnadenlosen Männern – hatten Gebäude geplündert, Frauen und Mädchen vergewaltigt, gestohlen, was sie nur konnten, und Menschen wegen eines Sacks Getreide oder wegen Wasser ermordet.
    Unmittelbar nach dem Gottesdienst um sieben Uhr abends verschloss Hassan stets die Tür zur Kirche und die äußeren Eisentore. Trotzdem versuchten Diebe, in der Nacht einzubrechen, um silberne Altarstücke zu stehlen. Das war freilich sinnlos, denn diese Gesetzesbrecher waren oft innerhalb weniger Tage tot, niedergestreckt vom Virus. Ihr Verlangen zu plündern war ebenso unersättlich wie ihr Verlangen zu töten, denn die Mordlust wütete in Alexandria, als dirigierten unsichtbare spirituelle Kräfte das Gemetzel in dieser geplünderten Stadt. Gläubige waren in großer Zahl totgeschlagen worden, die wütende Menge hatte sie beschuldigt, die Vorboten des Unglücks zu sein. Alle, Juden, Christen und Muslime, waren ins Visier geraten, und zwar täglich. Es gab weder Polizisten noch Soldaten, also waren die Menschen ihren Nachbarn schutzlos ausgeliefert. Hassan hatte die Holztüren zum Seminar mit Stahltüren verstärken lassen, so große Angst hatte er, angegriffen zu werden. Andere Priester waren der Seuche erlegen, darunter der Patriarch und große Teile der Hierarchie der koptischen Kirche. Die Menschen sprachen offen vom Ende der Welt.
    Angesichts dieser Schrecken versammelten sich fromme Laien in Kirchen, Synagogen und Moscheen. Natürlich erhöhte die Nähe zu anderen das Risiko, sich anzustecken, enorm, aber viele waren gleichgültig geworden. »Wenn es der Wille Gottes ist, dann möge Gottes Wille geschehen.« Diesen Satz hörte man immer wieder. Endlich waren die Menschen dazu gezwungen, sich als Gemeinschaft ihrer größten Angst zu stellen, dem Tod, und viele taten es, äußerlich gebrochen, aber nicht innerlich, mit Würde. Für Hassan, der sich um die Sterbenden kümmerte, stand der eigene Tod fest,

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