Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
Verzweiflung.
»Vielleicht ist das ja wie im Gleichnis mit den Broten und den Fischen. Beide zusammen ernährten fünftausend Menschen. So steht es in der Bibel, deshalb muss es wahr sein.«
»Es ist wahr.« Der Pontifex legte die Hand auf eine Bibel, die auf dem Schreibtisch lag. »Im wörtlichen und im symbolischen Sinne. Die Brote stehen für das Alte Testament, die Fische für das Neue. Die Menschen waren zufrieden und sind es noch immer – weil die Bibel nach wie vor jene nährt, die sich nach dem Erkennen Gottes sehnen.« Er tippte auf die Bibel. »Das hier sollte ausreichen, damit wir an unser Ziel kommen, nicht wahr? Kein Übergepäck.«
In dieser Nacht saß der Papst allein in seiner privaten Kapelle. In der Welt griff die Hungersnot von Indien auf China über, zudem drohte das globale Finanzsystem zusammenzubrechen. Aber das war erst der Anfang. Und trotz dieses ungeheuren Leids der Menschen wurde innerhalb der Kirche das größte Leid – der größte Zorn – von jenen entfesselt, die riefen: »Die Kirche kann nichts geben. Die Kirche wird nichts geben. Der Papst irrt. Alles gehört uns. Alles gehört uns allein!«
Johannes XXVI . schloss die Augen. Tief im Inneren – dicht neben sich – hörte er eine Stimme.
»Ich hab’s dir doch gesagt«, kreischte Satan. »Es wird nicht funktionieren. Die Welt ist mein. Sie gehört
mir
.«
Da vernahm der Heilige seine eigene Stimme, so als riefe er im Auge eines Orkans: »Du wirst nicht obsiegen.«
6
… soll er ihn durch einen bereitstehenden Mann
in die Wüste treiben lassen.
3. Mose, 16,21
A uf dem Rückflug nach Alexandria war Pater Jussef überglücklich. Es war ihm gleich, ob das Flugzeug abstürzte; es war ihm sogar egal, dass das Essen an Bord schlecht war. Er hatte in Rom den Papst getroffen, und der Papst war wichtiger als der Patriarch. Außerdem hatte ihn das Oberhaupt der Weltkirche
mit Namen
angesprochen. Diese Freude erfüllte ihn auch noch, als sie auf dem Flughafen den Zoll passierten und feststellten, dass der Wagen des Patriarchen für sie bereitstand. Darin saß allerdings nicht der bedeutende Mann selbst, sondern sein persönlicher Assistent.
»Der Patriarch möchte Sie sehen.«
Einen Augenblick lang geriet Jussef in eine Art spirituelle Ekstase, bis ihm aufging, dass das »Sie« an Josua und nicht an ihn gerichtet war. Trotzdem: Der Assistent sagte Jussef, er solle ebenfalls mitkommen. Als sie vor der Markus-Kathedrale eintrafen, wurden sie umgehend ins Büro des Patriarchen geführt. Dort musste Jussef die Demütigung erdulden, draußen vor der Tür zu bleiben, während Josua ins Zimmer gebeten wurde. Jussef vertrieb sich die Zeit damit, dass er über sein Gespräch mit dem Papst nachdachte. (Die wenigen Worte, die er mit dem Papst gewechselt hatte, waren in seiner Phantasie zu einem lebenslangen Gespräch geworden.) Das Gespräch bewies nur, dass der Papst klüger, höflicher war als der Patriarch. Als Josua aus dem Büro trat, eilte Jussef auf seinen Schützling zu und sprach sogleich seine inzwischen vertraute Bitte aus.
»Nun, was hat er gesagt? Sag mir, was der Patriarch dir gesagt hat!«
Mittlerweile war der – ältere – Jussef dahintergekommen, warum das alles geschah. Jeder Trottel musste merken,
warum
Josua nach Rom entsandt worden war. Der Patriarch hatte dem Papst eine Botschaft übermitteln wollen, aber er traute seinen eigenen Klerikern nicht. Deshalb hatte er einen Einfaltspinsel wie Josua benötigt. Sehr schlau! Und er war mitgeschickt worden, damit er Josua im Auge behielt, als eine Art Aufpasser – weil der Patriarch ahnte, dass er vertrauenswürdig war (obwohl er sich nicht an seinen Namen erinnern konnte).
»Wir werden in ein Kloster geschickt …«
»Ein Kloster?«
»Ja. Ins Kloster des heiligen Antonius. Es liegt in der Wüste«, verkündete Josua.
»Was?« Das Kloster des heiligen Antonius lag über vierhundert Kilometer entfernt im Osten Ägyptens. Jussef war noch nie dort gewesen, hatte aber davon gehört. Es war, als würde man nach Sibirien verbannt. Schlimmer noch! O nein, er hatte keinesfalls die Absicht, da hinzugehen. Da lebten doch nur verrückte Mönche, die versuchten, mitten in der Wüste mit Gott zu reden. Der Ort war Hölle und Fegefeuer in einem. Es bestand nicht die geringste Chance, dass …
»Wann?«
»Sofort«, antwortete der Assistent des Patriarchen. »Der Wagen wartet draußen. Der Patriarch hat gesagt, dass Sie mitkommen.«
»Ich …« Plötzlich bekam
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