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Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Titel: Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott McBain
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kleinen Holztisch und setzte sich, um sich zu sammeln. Seine Gedanken kreisten um ein Thema.
    Die Zeit.
    Zu den großen Mysterien auf dem Weg zur Erlösung gehörte die Zeit: Sie untergliederte sich in drei Arten. Es gab die menschliche Zeit. Die spirituelle Zeit, in der Millionen Jahre nur einen Tag bedeuteten. Und die Ewigkeit, einen Zustand, in dem die Zeit keine Macht hatte. Am Nachmittag hatte der Papst eine Vision darüber gehabt, was auf der spirituellen Ebene geschah, und diese Ereignisse sollten Folgen auf der menschlichen Ebene haben, denn spirituelle Ereignisse gehen menschlichen voraus. Was hatte er gesehen? In seiner Vision war ihm etwas erschienen, das der Schale des Zorns ähnelte, die in der Bibel erwähnt wird. Demnach goss ein Engel
seine Schale über das Meer. Da wurde es zu Blut, das aussah wie das Blut eines Toten; und alle Lebewesen im Meer starben.
    Als der Bischof von dem Fischsterben gesprochen hatte, war die Vision ausgelöst worden. Dennoch war der Papst überzeugt davon, dass es sich bei dem Engel, der seine Vision offenbart hatte, nicht um einen Engel des Lichts handelte. Sondern um einen Engel der Finsternis – was bedeutete, dass dieser selbst außerstande war, den Gehalt dieser biblischen Prophezeiung zu verstehen. Aber was bedeutete die Weissagung? Um ihren spirituellen Sinn zu enträtseln, musste man die symbolische Bedeutung des Wortes Blut in diesem besonderen Zusammenhang in der Bibel kennen.
    Der Papst stand auf und ging zu einem Schrank mit Verbundglas. Darin befanden sich alte Pergamenthandschriften, die im Zusammenhang mit einem der Judas-Silberlinge standen. Während der Verfolgungen im 3. Jahrhundert nach Christus war die römische Kaisergarde von Kaiser Diokletian entsandt worden, damit sie das Archiv der Kirche vernichtete, das in einem Gebäude namens Apostolische Kanzlei nahe dem heutigen Vatikan untergebracht war. Der Bibliothekar der Kirche, Laurentius, war jedoch vorgewarnt worden, so dass die Wachen bei ihrem Eintreffen nichts vorfanden. Laurentius hatte die Schriften versteckt. Um herauszubekommen, wo sie sich befanden, wurde er bei lebendigem Leib auf einem Rost verbrannt. Doch er gab sein Geheimnis nicht preis. Tatsächlich war das Archiv der Kirche in einem Tunnel unter dem vatikanischen Hügel versteckt worden. Später wurde es verlegt und an einem Ort aufbewahrt, zu dem allein der Papst und der Präfekt des Geheimen Archivs Zutritt hatten: dem Turm der Winde. In neuerer Zeit waren die Unterlagen ausgelagert worden, und die Vision, die Johannes  XXVI . am Nachmittag gehabt hatte, erklärte den Grund: Er hatte einen Engel gesehen, der auf die Welt herabstieg, um Pergamentschriften zu vernichten. Warum? Vielleicht weil sich darin die Erklärung für ein Ereignis fand, das in der menschlichen Zeit stattfand oder bald stattfinden würde. Ein Ereignis, von dem der Engel nicht wollte, dass die Menschen es wahrnahmen und somit verhindern konnten.
    Der Papst zog eine Kiste hervor. Sie enthielt Schriftrollen in Lateinisch, aus dem 3. nachchristlichen Jahrhundert. Einige Texte waren Bibelinterpretationen – spirituelle Offenbarungen, die in der Zeit von Laurentius zwar bekannt, im Laufe der Jahrhunderte jedoch verschollen waren. Johannes  XXVI . fing an zu lesen. Er musste rasch lesen, denn wenn seine Vermutung zutraf, würde der Engel umgehend Schritte einleiten, um seinen Plan zu vereiteln.
    Verfügte der Engel über genügend Macht, um einen herauszufordern, der die Schlüssel des heiligen Petrus in Händen hielt?
    * * *
    Kurz nach Mitternacht. Pater Gabriele, der Präfekt des Geheimarchivs, schlief fest, wie es sich für alle guten Menschen zu dieser Stunde gehörte. Was hatte er zu befürchten? Nichts. Er hatte einen sicheren Arbeitsplatz, wenige persönliche Besitztümer, und sein einziger Bruder war einige Jahre zuvor gestorben. Selbst im Ruhestand würde er vom Treiben der Welt unbehelligt bleiben, denn Vatikan-Mitarbeiter gingen niemals in den Ruhestand – immer blieben sie der Kirche in der einen oder anderen Funktion so lange eng verbunden, bis sie schließlich starben. Die kleine Wohnung, die Pater Gabriele im Vatikan bewohnte, ging zum Belvedere-Hof hinaus, dem rechteckigen Innenhof, der auch von der Vatikanischen Bibliothek und dem Geheimarchiv umschlossen wurde. Da Gabrieles Wohnung im ersten Stock lag, hatte er Letzteres gut im Blick. Das war ein großes Glück, denn das Geheime Archiv war sein Kind, sein liebstes Kind, sein Ein und Alles. Bücher

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