Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
passieren.«
»Noch etwas?«
»Nein.« Der afrikanische Bischof schüttelte den Kopf. Er wollte nicht als Quelle dastehen, und wahrscheinlich hatte er ohnedies schon zu viel gesagt. Wie nebenbei bemerkte er: »Bevor ich aus Mauretanien abflog, haben Dorfbewohner von der Küste berichtet, dass Fischschwärme sterben.«
Als er das hörte, zuckte der Papst zusammen. Er hatte das Gefühl, als hätte ihm jemand einen Schlag ins Gesicht versetzt. Er beugte sich vor, hielt die Hände vor die Augen.
»Geht es Euch nicht gut?«
Johannes XXVI . blieb zunächst in gebeugter Haltung sitzen. Dann richtete er sich langsam wieder auf. Dabei fiel dem Bischof etwas Merkwürdiges auf. Der Papst blickte starr in eine Richtung. Beunruhigt schaute der Bischof dorthin, aber dort war nichts – nur Büsche und Bäume. Der Papst wiederum sah keine irdische Szene. Vielmehr folgte er den raschen Bewegungen eines Engels.
»Eure Heiligkeit?«
»Warten Sie!« Johannes XXVI . blieb reglos sitzen, bis seine Vision verschwand. »Wo bin ich?«
»Wo Ihr seid?« Sein Gefährte war verdutzt. »Ihr befindet Euch in den vatikanischen Gärten.«
Der Papst blickte sich um, stellte sich wieder auf seine irdische Umgebung ein. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte ein Engel ihn auf ein spirituelles Schlachtfeld gezogen. Er erhob sich unsicher, sein Gegenüber half ihm dabei.
»Kommen Sie heute Abend mit mir in die Messe! Danach benötige ich Ihre Hilfe.«
»Meine Hilfe?«
»Ja, aber erzählen Sie niemandem davon!«
Sie gingen zu den Hauptgebäuden zurück. Fast augenblicklich näherten sich ihnen Vatikan-Beamte, um den Papst zu einer Audienz mit einem Staatsoberhaupt zu bringen. Der Bischof spazierte weiterhin durch die Gärten und dachte darüber nach, was er soeben erlebt hatte. War der Papst krank? Und warum hatte er diese merkwürdige Frage gestellt, wo er sich befinde? Was hatte er gesehen? Der afrikanische Bischof spekulierte bis in die Abendstunden darüber. Dann besuchte er die letzte Messe des Tages in der Privatkapelle des Papstes. Es waren viele Kleriker anwesend, deshalb erregte die Anwesenheit eines Kirchenmannes mehr keine Aufmerksamkeit. Kaum war der Gottesdienst beendet, verließen die Teilnehmer die Kapelle bis auf einen Kardinal, der sich angeregt mit dem Kirchenoberhaupt unterhielt. Schließlich ging auch er. Der Papst wandte sich mit einem freundlichen Lächeln zum Bischof.
»Sprechen wir in meiner Bibliothek.«
Sie gingen durch die Flure des Vatikans zu den Privatgemächern des Pontifex. Johannes XXVI . redete so laut, dass andere sie hätten hören können, aber die Gänge waren menschenleer. In seinen Räumen blieb der Papst jählings stehen. Er senkte die Stimme fast zu einem Flüstern, seine normalerweise freundliche Miene drückte Besorgnis aus.
»Lassen Sie niemanden hier hinein!« Er wies zur Tür seiner Bibliothek. »Ich möchte unter keinen Umständen gestört werden.«
»Nun, ich …«
»Ich vertraue Ihnen«, sagte der Papst.
Dem Bischof wurde ganz mulmig zumute. Was war denn los?
»Setzen Sie sich! Machen Sie sich keine Sorgen, wenn Sie einschlafen sollten, aber stellen Sie einen Stuhl vor die Tür, damit niemand hereinkommen kann!«
Und damit öffnete der Pontifex die Tür zu seiner Bibliothek und ging hinein, worauf sein Begleiter bestürzt stehen blieb. War Johannes XXVI . ein Gefangener im eigenen Palast?
In der Bibliothek blieb der Papst stehen, bis es ganz still war. Er ging mitten durch den Raum voller Bücherwände, öffnete eine weitere Tür und betrat ein Vorzimmer mit Wandteppichen und zwei lebensgroßen Porträts von Päpsten. Der Pontifex näherte sich einem und fuhr mit der Hand über die rechte Seite des Gemäldes. Ein Klicken, und das Gemälde schwang auf. Eine Treppe führte nach unten. Johannes XXVI . stieg hinunter, und binnen Minuten befand er sich auf dem römischen Friedhof unter dem Petersdom. Hier stand er vor drei Eisentüren – denselben Türen, vor denen Josua und Jussef einige Wochen zuvor zusammen mit dem Präfekten des Geheimen Archivs gestanden hatten. Er wählte die Tür zu seiner Linken und schloss sie auf. Dann betrat er einen schmalen Raum mit einer Gewölbedecke. Er war mit Bleiwänden verkleidet und enthielt uralte Dokumente. Früher waren sie im Turm der Winde untergebracht gewesen, doch sein Vorgänger hatte sie während seines Pontifikats heimlich hierherbringen lassen. Johannes XXVI . kannte auch den Grund: um sie zu schützen. Er ging zu einem
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