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Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Titel: Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott McBain
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den Turm zurückzukehren? Hatte er ihm nicht eingeschärft, dass das zu gefährlich sei? Wieso hatte er sich nicht daran erinnert? Was war denn los mit ihm? Plötzlich erlosch seine Taschenlampe. Er stand auf der Treppe, in der Kälte und im Dunkeln.
    Furcht.
    Welch merkwürdiges Gefühl – und welch monströses. Wie ein kleines Samenkorn wuchs es schnell zu einem großen Baum heran. Binnen Sekunden schlotterten Pater Gabriele die Beine. Hätte er eine tiefe spirituelle Einsicht besessen, so hätte er das Kommen des Dämons bemerkt, aber er besaß sie nicht. Sein Geist war verwirrt.
    Er wandte sich um, weil er die Treppe wieder hinuntergehen wollte. Dabei sah er ein Licht, das auf den Stufen über ihm flackerte. Es
musste
ein Feuer sein! Ohne zu überlegen, rannte er nach oben, geleitet von dem Lichtschein. Er musste den Turm retten, das war seine Pflicht.
    »Kehre um!«, warnte ihn sein Schutzengel in den tiefsten Winkeln seines Herzens. »Kehre um, ehe es zu spät ist!«
    Die Anweisung verhallte ungehört. Der Präfekt betrat die Räume im zweiten Stock, stürmte blindlings weiter. Gleichzeitig verschmolzen die menschliche und die spirituelle Dimension miteinander. In
seiner
Zeit war dieser Raum leer, doch jetzt stieß der Priester taumelnd gegen eine große Holztruhe, an deren Eisenschloss er sich das Knie aufschlug. Was ging hier vor? Verzweifelt blickte er zu den Fenstern. In
seiner
Zeit waren sie mit Brettern vernagelt, jetzt standen sie weit offen, und der Lichtschein von Flammen fiel herein. Draußen, im Belvedere-Hof, waren lärmende Rufe zu vernehmen, denn es fand ein päpstliches Fest aus dem 17. Jahrhundert statt. Der Präfekt lief zum Fenster und rief um Hilfe. Männer und Frauen schauten erst kurz zum Turm hinauf und dann weg, als hätten sie ein Gespenst gesehen. Noch während der Priester aufschrie, wandelte sich das Bild vor seinen Augen – die menschliche Zeit spulte zurück. Jetzt sah er kein Fest mehr, sondern einen kalten Wintertag im 16. Jahrhundert, und ein Bauernkarren stand an jener Stelle, an der sich seine Wohnung hätte befinden müssen.
    »Geh fort!«
    Die Stimme des Papstes. Doch es war beinahe zu spät. Der Geist des Präfekten hatte einen Umkipppunkt erreicht, an dem sich der menschliche Verstand am Rande des Abgrunds bewegt, jenseits dessen das Riesenreich der Geister liegt. In dem Versuch hinabzusteigen, ohne dieses Reich wahrzunehmen, stieg er hinauf. Er ging in die falsche Richtung. Er betrat die Räume im dritten Stock des Turms, passierte den Punkt, von dem ab es keine Rückkehr gab, und begann, ohne geführt zu werden, auf tiefen spirituellen Wassern zu wandeln. Im »Raum des Tobias« wurden ihm die spirituellen Augen geöffnet, und er erkannte ein großes Zimmer voller Schriftstücke. Er hatte sich in exakt jenem Augenblick genähert, als der Turm im Jahr 1581 erbaut worden war und geheime Pergamentrollen hierhergebracht wurden.
    Plötzlich sah Pater Gabriele einen Engel. Einen Engel der Finsternis, der durch die Vereinigung der menschlichen und der spirituellen Welt auf die Erde herabgestiegen war. Sein Gesicht ähnelte dem eines Mannes, aber auch wieder nicht. Viel größer und mächtiger, wandte der Engel sich zu ihm um, zornig, weil er bei seiner Suche unterbrochen worden war.
    Als er das Gesicht des Dämons gewahrte, flüchtete der Geist des Präfekten in größtem Schrecken aus dessen Körper.
    * * *
    »Wir verlangen, den Heiligen Vater zu sehen!«
    »Ich darf Sie nicht zu ihm lassen.«
    »Wir müssen Zutritt zum Turm der Winde bekommen.«
    »Der Heilige Vater darf nicht gestört werden.«
    Früh am Morgen war nicht die übliche Zeit, in der Priester miteinander rangen. Normalerweise rangen sie mit dem Schlaf oder einem schlechten Gewissen. Aber es gab Ausnahmen, und der afrikanische Bischof sah sich zwei Kardinälen gegenüber, die wütend waren, weil man sich ihnen in den Weg stellte. Sie standen vor der Tür zur Bibliothek und versuchten ihren Widersacher zur Seite zu drängen. Der Bischof wiederum versuchte, sie möglichst lange aufzuhalten.
    »Ruft die Schweizergardisten! Aus dem Weg!«
    Und damit trat der Bischof beiseite; er hatte sein Möglichstes versucht. Der Leiter der Kurie sah ihn wütend an. Man würde später herausfinden, was dieser Eindringling hier trieb. Er klopfte an die Tür zur Päpstlichen Bibliothek – höflich zuerst, dann fest. Schließlich öffnete er die Tür, und die drei betraten den Raum.
    »Hier ist niemand.«
    Das stimmte. Der

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