Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
Lazarus dem Grab entstieg. Andere nicht. Die Pharisäer stehen für alle, die so tun, als seien sie heilig, die aber nicht beten und keine guten Werke vollbringen. Sie sind spirituell tot, erwecken jedoch den gegenteiligen Eindruck.«
Jussef lachte – eine Seltenheit. Alles war ganz einfach, aber hatte der Mönch wirklich recht?
»Ich habe eine Frage an dich.«
»O Gott!« Jussef straffte das Kinn. Das würde sicherlich eine dieser Fragen werden, die selbst der Heilige Geist nicht beantworten konnte. »Und zwar?«
»Betest du und tust Gutes?«
Der Adressat dieser Frage blieb jäh stehen. Sie befanden sich anderthalb Kilometer vom Kloster entfernt, und weil die Sonne hoch am Himmel stand, mussten sie umkehren, weil sie sich andernfalls einen Sonnenstich holen würden. Außerdem hatte Jussef Durst.
»Ob ich bete und Gutes tue?«
»Ja.«
Jussef gab keine Antwort – weil er sie nicht kannte. Jeden Tag betete er. Aber betete er wirklich? Oder plapperte er nur leere Worthülsen? Auch bat er Gott jedes Mal um materielle Dinge für die Kirche – aber wann hatte er zuletzt um Einsicht gebeten? Und hatte er anderen jemals Gutes getan? Oder erwartete er einfach, dass andere ihm Gutes taten, und beklagte sich lauthals, wenn sie es nicht taten? »Ich bin mir nicht sicher, aber worauf willst du denn hinaus?«
»Theodore möchte, dass ich eine Reise antrete, eine spirituelle Reise.«
»Und wohin?«
Jussef blickte in Josuas sonst so freundliches Gesicht; es drückte tiefe Sorge aus. Er sagte zu Josua: »Ich verstehe nicht, was du meinst. Der Papst hat dir doch etwas gesagt, oder?«
»Ja.«
Jussef dämmerte es. »Der Papst hat dich gebeten, etwas zu
finden
, nicht wahr?«
Josua nickte. »Den Wage, den letzten Judas-Silberling, zu vernichten.«
»Und Bruder Theodore will dir dabei helfen?«
»Ja.«
»Und wie?«
Sein Schützling schüttelte den Kopf.
»Na gut, aber warum?«
Josua zögerte. »Millionen von Menschen werden die Erde verlassen. Bald. Alles geht zu Ende. Alles.«
»Zu Ende?« Jussef starrte Josua an, als habe der nicht alle. »Josua, das kann nicht sein. Der Welt wird nicht zu Ende gehen.«
»Wir kehren alle heim.«
»Nein!«
Jussef schüttelte seinen Schüler verärgert. »Sag doch nicht so etwas! Der Mönch täuscht sich! Die Erde wird sich weiter drehen, wie immer.« Er fuchtelte aufgeregt mit den Händen. »Dieses Kloster – es macht die Menschen irre. Sie erleben Visionen, Ekstasen, Trugbilder. Dahinter könnte der Teufel stecken. Hat der Papst dich denn nicht gewarnt?«
Josua nickte.
Jussef ging im Kreis herum und dachte angestrengt nach. Was tun? »Aha! Lass uns den Mönch auf die Probe stellen – mal sehen, wie es mit seiner Einsicht bestellt ist. Du kennst doch das Gleichnis von der Frau, die beim Ehebruch ertappt wird. Christus sagt zu der Menge: ›Wer von Euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein auf sie.‹ Was bedeutet das?«
»Wie merkwürdig! Über dieses Gleichnis soll ich auf Theodores Bitte hin als Nächstes meditieren.«
* * *
Nach dem Mittagessen zog Jussef sich ins Bett zurück. Er legte sich auf die harte Matratze. Er war beunruhigt – besorgt –, daran bestand kein Zweifel. Rings um ihn herum passierten merkwürdige Dinge. Zunächst war da Josua. Er stand offensichtlich kurz davor, verrückt zu werden. Er sprach davon, eine spirituelle Reise anzutreten, und davon, etwas finden zu wollen, das er auf die Bitte des Papstes hin suchen solle. Aber was? Dann war da dieser seltsame Mönch Theodore. Keine Frage, der war knallverrückt. Doch woher wusste er, dass er von Josua verlangen würde, über das gleiche Gleichnis zu meditieren, das Theodore Josua am Morgen vorgelegt hatte? Dass dies höchst wunderlich war, begriff selbst Jussef. Nein, das war nicht möglich, es sei denn, der Mönch konnte – auf irgendeine mysteriöse Weise – Jussefs Gedanken lesen. Dann waren da die Busse. Ja, die Reisebusse. Zum ersten Mal seit Jahren war die Zahl der Busse, die aus Alexandria kommend das Kloster des heiligen Antonius anfuhren, drastisch gesunken. Die Besucher sprachen davon, die Leute hätten zu viel mit anderen Dingen zu tun. Sie berichteten den Mönchen von Katastrophen – dass die Meere stürben und es im Fernen Osten eine große Hungersnot gebe.
Zwischen diesen Dingen schien in der Menschenwelt kein Zusammenhang zu bestehen. Vielleicht bestand da ein spiritueller Zusammenhang? Doch was für einer? Abseits gelegene Klöster, Gleichnisse, Katastrophen, Reisen.
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