Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
spirituellen Ebene waren sie im Begriff, Ägypten, also die menschliche Welt, zu verlassen und Israel zu betreten – die spirituelle Dimension. Von dort würden sie zum Roten Meer aufbrechen, um hinüber ins Gelobte Land zu gelangen, das Reich Gottes.
Würde er also die Reise antreten? Eine, in der er Seelen einsammeln musste?
Von Ägypten in die Wüste
20
Treulose handeln treulos,
ja, die Treulosen brechen die Treue.
Jesaja 24,16
D ie Wahrheit sagen … oder nicht die Wahrheit sagen. Es war immer ein Problem. Ein Problem, dem sich jeder Politiker gegenübersah. Wobei die Politiker ziemlich berechenbar waren; sie entschieden sich ausnahmslos dafür,
nicht
die Wahrheit zu sagen. Denn nicht die Wahrheit zu sagen war für sie ganz normal – so waren sie in der Politik ja überhaupt aufgestiegen. In Italien hatte Ministerpräsident Martinelli sein großes Geheimnis mit unübertrefflichem, im Laufe der vielen Jahre oft geübtem Geschick verschleiert. Den Tod des italienischen Forschers, der den Iranern geholfen hatte, das Fischvirus zu entwickeln, hatte er verschwiegen, indem er mit Hilfe der Rechtslage in Bezug auf Staatsgeheimnisse jede Berichterstattung darüber unterband. Außerdem hatte Martinellis Freund Tiziano, der Chef des Geheimdienstes, sämtliches belastende Beweismaterial verschwinden lassen. Martinelli nutzte nun all seine Macht und all seinen Einfluss, damit der Umstand, dass auch Menschen am Fischvirus starben, der italienischen Öffentlichkeit nicht zu Ohren kam.
Es war eigentlich gar nicht so schwierig. Zunächst starben an dem Virus die sehr Jungen und die Alten. Bei den meisten von ihnen diagnostizierten die Ärzte in ganz Italien eine Lungenentzündung, weil die ersten Symptome sich ähnelten und niemand nachgewiesen hatte, dass das Virus auf den Menschen übertragen werden konnte. Wo es Zweifel hinsichtlich der Todesursache gab, wurden die Ärzte angewiesen, den Tod dem Nationalen Institut für Infektionskrankheiten in Rom zu melden. Das Institut leitete der Minister für Gesundheit, den der Ministerpräsident bereits (teilweise) in das Geheimnis eingeweiht hatte. Natürlich erzählte der Gesundheitsminister, unter Wahrung strengster Verschwiegenheit, seiner Frau (und seiner Freundin) davon und schickte sie aufs Land, damit sie in Sicherheit war. Nachdem das erledigt war, bewies er seinem Chef seine Loyalität. Er sorgte dafür, dass alle Todesfälle aufgrund der Virusinfektion falsch kategorisiert oder die relevanten Krankenakten verlegt oder vernichtet wurden.
Natürlich handelte es sich um einen Verrat und eine Lüge, aber man fuhr wegen einer Lüge doch nicht gleich zur Hölle, oder? Und stand die Zukunft des Staates auf dem Spiel, waren Lügen vertretbar. Hätte die italienische Regierung allen Leuten erzählt, dass das Fischvirus Menschen infizieren – und töten – konnte, wäre der Staat infolge der Panik zusammengebrochen. Wie auch immer: Das Virus war vielleicht gar keine so schlechte Sache; es bot die Chance, Geschäfte zu machen. Martinelli und seine Freunde kauften eine Firma, die medizinische Geräte herstellte, darunter Schutzmasken. Denn nach ihnen würde schon bald eine große Nachfrage bestehen. Gott kümmerte sich um die, die sich um sich selbst kümmerten.
Martinelli war klar, dass das schreckliche Geheimnis ans Licht kommen würde, und zwar schon bald. Es war unvermeidlich. Doch er brauchte noch ein paar Tage oder Wochen, in denen die Öffentlichkeit nichts davon ahnte, um noch striktere Notfallmaßnahmen zu veranlassen. Die geschlossenen Grenzen Italiens wurden mit Barrikaden, Straßensperren und Stacheldrahtzaun verstärkt. Der Versuch, ins Land zu kommen oder es zu verlassen, wurde zum Kapitalverbrechen erklärt und mit sofortiger Inhaftierung geahndet. Diese Maßnahmen wurden beinahe unbemerkt eingeführt, weil das Land bereits die Anfänge des völligen Zusammenbruchs erlebte. Nahrungsmittelengpässe waren an der Tagesordnung, da nichts mehr nach Italien importiert werden konnte und das Horten extrem verbreitet war – obwohl die Regierung feste Preise und Rationierungen einführte. Außerdem herrschte Wasserknappheit. Viele Menschen verließen weiterhin die Städte, weil die ständigen Verlautbarungen, alles werde wieder seinen normalen Gang gehen, sie nicht überzeugt hatten. Das Straßen- und das Schienennetz litten unter Überlastung; Diebstähle und Gewalt nahmen überhand. Inmitten des Chaos kam Italien eine unangenehme Tatsache zu Bewusstsein:
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