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Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Titel: Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott McBain
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Gewiss: Im Mittelalter hatte die Pest, der Schwarze Tod, in nur drei Jahren ein Drittel, vielleicht sogar die Hälfte der Bevölkerung ausgelöscht. Aber die Menschheit hatte sich davon erholt. Sie erholte sich immer wieder, nicht wahr? Immer fand sie einen Weg, sich den Fängen der Vernichtung zu entziehen. Die Menschheit würde ewig existieren.
    Eines späten Abends kehrte Martinelli vom Präsidentenpalast zu seiner herrschaftlichen, zehn Autominuten entfernt gelegenen Wohnung zurück. Eine der vielen Wohnungen und Villen, die er in Italien und andernorts in Europa besaß. (Den Gedanken, dass er vielleicht allzu reich war, hätte er verächtlich von sich gewiesen.) Die Wohnung war menschenleer. Seine Frau Clara hatte er mit seinem Playboysohn Marco in den Norden von Bologna geschickt. Seine bildschöne Freundin Caterina hatte er in den Süden verfrachtet, in seine Villa außerhalb von Bari. Natürlich waren sich seine sechzigjährige Frau und seine dreißig Jahre alte Geliebte nie begegnet. Die eine war für die Behaglichkeit, die andere fürs Vergnügen da. Wusste seine Frau von Caterina? Vermutlich nicht, denn sie war vergleichsweise vertrauensvoll und hatte Martinelli seine Lügen während ihrer fünfundzwanzigjährigen Ehe immer wieder abgenommen. Natürlich war es unselig, dass er lügen musste, aber es war oft notwendig, die Öffentlichkeit und die eigene Familie anzulügen. Im Fall der Ersteren war das nötig, weil alle politischen Parteien das Unmögliche versprachen, um Wahlen zu gewinnen, und er das Gleiche tun musste. Im Fall der Letzteren war es nötig, weil Ehefrauen und Freundinnen eine gegenseitige Antipathie zu hegen schienen. Alte Katzen kamen nicht gut mit jungen Biestern aus – das Tierreich war kompliziert.
    Martinelli betrat seine Wohnung und sah auf die Uhr. Er wollte sich vierzig Minuten Zeit lassen, dann musste er in den Präsidentenpalast zurückfahren, um dort bis in den frühen Morgen zu arbeiten. Er hatte das Dienstpersonal fortgeschickt, also war er allein – abgesehen natürlich von den Bodyguards vor der Wohnungstür. Es war ihm bewusst, dass es in Italien Menschen gab, die ihn nicht mochten – wie auch jene, die ihm wegen seiner früheren politischen und geschäftlichen Transaktionen grollten –, weshalb er sich stark auf Tiziano stützte. Dennoch machte er sich angesichts solcher Dinge keine Sorgen; den Mutigen schützten die Götter. Er nahm sich einen Kristallschwenker und eine Flasche guten Cognac, ging ins Bad (es gab davon vier in der Wohnung) und ließ heißes Wasser in die Wanne laufen. Er zog sich gemächlich aus und nahm zwischendurch immer wieder einen Schluck. Schließlich stieg er, nach einem kurzen Blick auf seinen Bauch, in die Wanne. Er nahm ab, worum seine Freundin und seine Frau ihn oft inständig gebeten hatten, was jetzt aber stressbedingt geschehen war und auch deshalb, weil er wegen der großen Arbeitsbelastung kaum noch essen ging. Als er sich ins heiße Wasser gleiten ließ, schwappte es hoch und bedeckte seine Brust. Herrlich! Er trank einen Schluck, schloss die Augen und dachte über die jüngsten Ereignisse nach.
    Die Lage in Italien verschlechterte sich. In den letzten Tagen war es landauf, landab zu Ausschreitungen gekommen. Mehr als zweitausend Menschen waren ums Leben gekommen, das Militär und die Polizei hatten aber immer noch alles im Griff. So wie er. Das heißt, die Regierung hatte noch immer alles im Griff. Erst heute hatte er weitere präsidiale Erlasse unterzeichnet. Inlandflüge waren inzwischen auf die Mitarbeiter der Polizei, des Militärs und humanitärer Organisationen beschränkt. Nur Wasser- und Nahrungsmittelvorräte durften per Bahn transportiert werden – alle anderen Nutzungen waren gestoppt. Und heute Nachmittag hatte er einer radikalen, neuen Maßnahme zugestimmt: der Todesstrafe für Plünderer. Eine entscheidende Maßnahme. Andernfalls würden Kriminelle das Land übernehmen.
    Selbst er hatte sich gewundert, wie wenig Widerstand es gegen das drakonische Gesetz gab. Normalerweise wären Menschenrechtsaktivisten und Anwälte auf die Barrikaden gegangen. Als sie jedoch die Gefahren für ihr Eigentum erkannten, schwiegen sie. Das war verständlich angesichts des einzigartigen Charakters dieser Krise – die durchaus mit einem Krieg vergleichbar war. Schließlich waren die normalen Gerichte aufgelöst worden, weil es zu schwierig wurde, die Leute dazu zu bringen, vor Gericht zu erscheinen, außerdem hatte man Standgerichte

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