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Die Juden von Zirndorf

Die Juden von Zirndorf

Titel: Die Juden von Zirndorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Wassermann
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Weise ewigen Abschied genommen, und ein Schauer zog ihr die Brust zusammen und ihr Herz lag wie Blei im Körper. Jenes Haus, das so Teures für sie beherbergt hatte, konnte nicht mehr das Bild ihrer Träume verschönen. Stand doch schon über seinem Eingang ein roher Landsknechtspruch, neu hingemalt:

    Wer so fährt wie ich, fährt boeß.
    Meines Vaters Guett hab' ich versoffen,
    Bis auff einen alten Filzhuett.
    Der leit da.
    Den ofen wer ich aach ball versaufen.

    Die Nacht war kalt. Die Wolken am Himmel hatten in ihrem gelben Leuchten und ihren kargen Umrissen etwas Wesenhaftes und Persönliches. Vor manchen Haustüren der Christen standen Männer im Schein düsterer Lichter und berieten über die Vorgänge im Judenviertel. Sie schienen besorgt, denn wie auch dies Volk verhaßt bei ihnen war, so beleidigten doch all diese Dinge ihr Herrischkeitsgefühl, und sie glaubten, es nicht zugeben zu dürfen, daß sich der Knecht so leichterdings frei mache und davonziehe. Nur die zu Wucherzins Verpflichteten rieben sich insgeheim die Hände und beglückwünschten sich zu den so mühelos errungenen Kapitalien.
    Rahel wagte sich nicht heim. Sie wußte nicht, was sie davon abhielt, aber ihre Seele verging in Furcht. Sie wanderte dahin, ohne über ein Ziel nachzudenken. Sie lebte völlig in einer dunklen Innenwelt und die Blicke, die sie in die erleuchteten Fenster der Wohnungen warf, hatten etwas Irres. Wie so oft, ging sie in das Haus des frommen Elieser Rappaport, der ihr Verwandter war. Die ganze Familie saß um den großen Tisch herum; die Wände waren kahl, die Schränke fortgeschafft, Geschirr, Betten, Wäsche und Gewänder auf den Wagen verpackt. Es war unheimlich zu sehen, wie die Menschen um das trübe, rauchende Licht herumhockten, mit blaßen, erwartungsvollen Gesichtern oder mit milden Gesichtern, in denen gleichsam nur noch eine entfernte, eine fliehende Sehnsucht, ein schüchternes Hoffen leuchtete, und wie sie dem Vorlesen des Elieser lauschten. Draußen fauchte der Wind und überall klimperte und klirrte es und oft blökten ängstliche Rinder oder wieherten die Pferde.
    Rahel setzte sich in eine Ecke des Raumes, wo ein Balken aus der Wand hervortrat. Niemand achtete ihrer. Elieser las aus dem Buch Simchas Chamefesch, der »Seelenfreude«, welches zu Frankfurt und zu Sulzbach deutsch gedruckt worden war. Mit bebender Stimme las der alte Mann die Parabel, die von der Stärke des Glaubens handelt. »Einer hat drei gute Freund; einer is sein Leibfreund, der ander is aach ein guter Freund, un der dritter, den hat er vor gar nix geacht. Urbizling schickt der Melech, der König, einen Boten nach den Mensch, er soll geschwind zum Melech kommen. Der Mensch derschreckt sehr, denkt, was muß das bedeuten, als der Melech nach mer schickt und fercht sich sehr un geht zu sein Leibfreund, der soll mit ihm gehn zum Melech, der will aber nit mit ihn gehn. Da geht er zu den andern Freund, er soll mit ihn gehn zum Melech, da spricht er, ich will dich begleiten bis an das Schloß, aber weiter will ich nit gehn. Da geht er zu den dritten Freund, den er vor gar nix geacht hat. Da spricht er, ich will mit dir gehn zum Melech un will dich beschermen. Un is mit ihm gangen zum Melech un hat ihm beschermt. Aso aach die drei Freund; einer das is Geld, der ander, das is sein Weib un Kind, der dritt Freund, den er vor nix hat gehalten, das is die Thora, die Gebote, die guten Taten, das acht der Mensch vor nix. Der Melech das is Got, der Bote das is der Tod, den schickt Got urbizling, soll dem Menschen seine Seel nehmen. Der beste Freund das is das Geld, das bleibt derheim, wenn er gleich noch aso viel hat, kann er doch nix mitnehmen. Der ander Freund, das is sein Weib un Kinder, gehn mit ihn bis ans Grab, schreien un weinen, kennen ihm nit helfen. Der dritt Freund den acht der Mensch vor nix, der geht mit zum Melech.«
    Die Stimme verklang wie in einer Höhle. Es befand sich aber noch ein Rabe im Zimmer, der vom alten Elieser aufgezogen worden war und der, lauernd auf einer Stange hockend, sein düstres Krächzen in die gelehrtesten Disputationen zu werfen pflegte. Rahel sah den Vogel beständig an, denn ihr war, als sei ein menschliches Wesen in ihm verborgen, ja sie dachte: so ist mein Volk wie dieser Rabe. Doppelt schwarz und doppelt unruhig sah er aus im Gegensatz zu den glutgeröteten Mauern; mitten im Dunkel saß er wie auf einer Insel in einem Ozean von Finsternis.
    Gebete und Fasten füllten allenthalben die Nacht aus. Es gab

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