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Die Juden von Zirndorf

Die Juden von Zirndorf

Titel: Die Juden von Zirndorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Wassermann
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Lambden; er sah Kasten auf Kasten getürmt, sah die Weiber mit weißen Tüchern um den Kopf hin- und hereilen, wie sie die Schränke leerten und das Geschirr verpackten, und er hörte das Silberzeug klirren und den Lärm von Hammer und Meißel. Daneben stand das Haus von Samuel Ermreuther, der von seinen Söhnen das Dach abtragen ließ, denn nichts sollte den Gojim verbleiben von seinem Gut und Eigentum. Bei Itzig Genßhenker hatten sich viele junge Mädchen zusammengefunden und nähten emsig Wagendecken und Reisegewänder und sangen alte Gesänge. Stunde für Stunde zogen arme Juden aus fremden Ortschaften durch die Hauptstraße, und in der frischen Glut ihrer Begeisterung vermochten sie nicht länger Rast zu machen, als es nötig ist, um ein Gebet zu sagen. Dann eilten sie weiter in ihren Lumpen und mit ihrer jämmerlichen Habe.
    Betrübt ging Benjamin an den Häusern entlang. Er blickte in die Gärten, in denen alle Blüten verwelkt waren und dürre Blätter den Boden bedeckten. Einmal sah er Eva, seine Verlobte, über die Gasse eilen, und er ging zu ihr hin. Aber das Kind, mit aufgestreiften Ärmeln und geröteten Wangen, schüttelte den Kopf und sagte, sie habe zu viel zu tun, um plaudern zu können. Benjamin hatte Hunger, und weil man ihm daheim nicht zu essen gab, ging er hinaus an den Fluß, wo er Haselstauden wußte und wo er sich sättigen wollte. Die Ereignisse, von seiner melancholischen Stimmung in farbige Dämmerung gehüllt, gaben ihm viel zu denken und er träumte sich mit klopfendem Herzen das Land der Verheißung, wo es keine Christen gab und keinen Stadtvogt und keine Daumenschrauben und kein Spießrutenlaufen. Wie klar und furchtbar erinnerte er sich des Tages, wo sein Vater wegen einer angeblich gestohlenen Sanduhr gefoltert worden war. Seinen Oheim hatten sie aus Nürnberg hinausgepeitscht, weil er dort übernachtet hatte. Oft hatte die Mutter erzählt, daß ihre Muhme als Hexe verbrannt worden war, obwohl sie eine fromme und sanfte Frau gewesen war. Dies alles machte ihn ungeduldig nach Macht und Größe.
    Ein Jubelgesang scholl von den Häusern herüber. Er hörte eine Weile zu und fragte sich, warum eigentlich die Juden so verachtet seien. Er kam zu keinem Schluß. Im Grunde schmerzte es ihn, von diesen Feldern fort zu müssen, wer weiß wie weit. Es war so schön hier! Wie breit und ruhig lag das Land da! Ein glanzloser Nebel kroch über die Äcker und drüben lag Nürnberg mit seiner kaiserlichen Burg, mit seinen starken Mauern, mit seinen schmalen, stolzen Türmen. Die Häuser waren vielleicht aus Marmor gebaut, und die Stoffe und das viele Gold und die herrlichen Rosse, die Kampfspiele, der Jahrmarkt auf der Schüttinsel, der Metzgersprung, – wie bunt und wechselvoll, wie freudig und schimmernd alles!
    Die Welt versank allmählich in der Dämmerung. Er ging heimwärts. Die dumpfe, drohende Geschäftigkeit, die überall herrschte und die immer mehr anschwoll, erweckte eine unbestimmte Angst in ihm. Bei einer Gartentür lag ein Stein und er ließ sich ermüdet nieder. Samson Weinschenk und die Seinen hatten schon zwei Wagen vollbepackt und saßen nun zwischen leeren Wänden. Auch David Tischbeck und Samuel Schrenz und Hutzel Davidla und Löw Wassertrüdinger und Moses Käsbauer und Maier Wolf: alle waren sie schon fertig und bereit, das fremde Land für immer zu verlassen. Der Knabe fühlte gleichsam schwere Schicksale voraus, darum war er traurig, und es war, als ob von irgendwoher eine schmerzlich schöne Musik erschalle und durch die kümmerlichen Gassen des Judenviertels fließe.
    Er blickte empor und sah Rahel Nathan mit plumpen, aber hastigen Schritten daherkommen. Sie wollte vorbei, aber Benjamin rief sie an. Da fuhr sie zusammen, winkte mit beiden Armen ab und wollte schnell weitergehen, – gegen die Häuser der Christen hinüber. Doch besann sie sich eines andern und setzte sich neben den Knaben auf den Stein. »Morgen soll es fortgehen, weißt du das, Junge?« fragte sie. Er bejahte, aber sie redete nicht mehr, es war, als ob sie sich ganz in sich selbst verkröche. Der Knabe sah, daß sie mit ihren Händen das Gesicht bedeckt hatte, und die Ellbogen waren durch das niedere Sitzen tief in den Schoß vergraben. Es fiel ihm ein, daß es im Gesetz verboten sei, so niedrig zu sitzen; nur die Leidtragenden dürfen es um ihre Verstorbenen. Da stand er rasch auf. Aber ehe er sich dessen versah, hatte ihn das Mädchen heftig bei den Armen gepackt, zog ihn an sich, nahm seinen Kopf

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