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Die Juden von Zirndorf

Die Juden von Zirndorf

Titel: Die Juden von Zirndorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Wassermann
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erwiderte Enoch mürrisch.
    »Sie wirds bald wissen. Sürich Sperling ist ein Halsabschneider.«
    »Wärst nit leichtsinnig gewesen. Mer hätten keine Scheuer zu bauen gebraucht. Ich kann der nit helfen. Ich ha ka Geld.«
    Elkan rang stumm die Hände. Dann sagte er: »Du hast so vielen das Messer an die Gurgel gesetzt, Vater. Und jetzt bist du erbarmungslos gegen die eigenen Kinder.«
    Enoch richtete sich langsam auf und machte eine abwehrende Armbewegung. Gleich darauf ging er ins Haus. Die Laterne zitterte in seiner Hand und sein Schatten schwankte hinter ihm auf dem schwarzen Erdreich.
    Im Wohnzimmer rauchten die Kartoffeln auf dem Tisch, und zwei Heringe lagen in gelber Brühe auf einer Schüssel.
    Die Kinder hatten blecherne Teller vor sich, die alt waren und unappetitlich aussahen. In der Ofennische brodelte der Kaffee und sein Geruch vermischte sich mit dem übergelaufener und verbrannter Milch. Der Raum war niedrig und schwül, und eine von Tagen aufgehäufte Unordnung herrschte. Die Möbel standen krumm und schief, die Dielen waren rissig, und durch die gardinenlosen Fenster schaute unbehindert die schwarze Nacht und wer sonst noch wollte herein. Dennoch zeugte alles von der Hand einer bemühten Hausfrau, die nur zu schwach war, ihren Bereich zu regieren. Sie beherrschte auch ihre Kinder nicht, das sah man schon an den Gesichtern der Kinder, die so unbekümmert dasaßen, als ob sie niemals zu gehorchen brauchten. Sie griffen gierig in die Schüsseln und wenn eines ein größeres Stück Hering erwischte, erhob das andere ein neidisches Zetergeschrei. Eine Katze schlich unter dem Tisch herum, rieb sich an den Stuhlbeinen und stieß bisweilen ein begehrliches Miauen aus, woraus die dicke Bauernmagd schadenfroh kicherte. »Wo ist denn Agathon?« fragte der Knabe, ein lockiger Pausback von fünf Jahren. Frau Jettes Mund verzog sich ärgerlich. »Red nicht, wenn dus Mund voll hast!« schrie sie. Wie alle Frauen, die von ihren Kindern tyrannisiert werden, suchte sie durch grundlose Heftigkeit ihre Schwäche zu bemänteln. Enoch Pohl kam mit müd-tappenden Schritten herein, pustete sein Laternchen aus und stellte es in den Eckschrank, der zugleich als Waschbehälter diente, wusch sich die Hände und sprach das übliche Gebet. Niemand beachtete ihn. Da er den Tisch besetzt fand, ließ er sich in die Ecke des Ledersofas fallen, seufzte und sah mit glanzlosen Augen in das Ofenloch, aus dem der purpurne Feuerschein zitterte. »Warum singt denn der Mann immer, Großpapa?« fragte der Pausbäckige. Enoch murrte und schüttelte den Kopf. »Was singt er denn, Großpapa?« – »Sei still!« schrie Frau Jette wieder und klopfte mit der Faust auf den Tisch, daß alles klapperte. »Spinn', spinne Töchterlein, singt er,« flüsterte dem Pausbäckigen schüchtern die ältere Schwester Mirjam zu, ein Kind von großer Schönheit. Plötzlich sprang Enoch auf, ergriff mit einem Satz das Kätzchen bei seinem aufgerichteten Schwanz, öffnete die Tür und warf das quietschende Geschöpf an die gegenüberliegende Flurwand. Da trat Elkan Geyer auf die Schwelle und warf dem Alten einen schmerzlichen Blick zu.
    Eine Fensterscheibe klirrte leise. Aller Blicke wandten sich hin. Mirjam stieß einen Schrei aus, Frau Jette blieb der Bissen im Mund stecken. »Sürich Sperling,« murmelte Enoch. In der Tat war es das rote Gesicht des Wirts, das zu einer breiten Fratze verzerrt, augenlos und mit plattgedrückter Nase hereinstierte. Elkan Geyer wurde totenbleich und machte einen Schritt gegen das Fenster, doch da war Sürich Sperling schon wieder verschwunden. Mirjam lief dem Vater in die Arme, der das Kind aufhob und es küßte. Enoch rückte sich in seinem Sofawinkel zurecht, um geduldig zu warten, bis am Tisch ein Platz für ihn frei würde.
    »Wo ist Agathon?« fragte jetzt auch Frau Jette und blickte ihren Mann forschend an. Elkan Geyer sah sich erstaunt um, stellte das Kind auf die Erde, und ein Schatten von Besorgnis ging über seine Stirn. Er öffnete die Tür und rief Agathons Namen in den Flur; keine Antwort. Frau Jette wollte hinausgehen, aber Elkan hielt sie zurück, schlug die Tür zu und setzte sich an den Tisch, um zu essen.
    Er machte ein verdrießliches Gesicht, als vor dem Haus Lärm ertönte und gleich darauf die Rosenaus Mädchen hereinstürmten, die sich stets aus irgend einem Grunde atemlos und erhitzt gebärdeten. Ihnen folgte ihr Bruder Isidor: würdig, ernst, gemessen. Er trug einen steifen englischen Hut, Krawatten nach

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