Die Juden von Zirndorf
der neuesten Mode, umgestülpte Hosen und hellgelbe kotbedeckte Schuhe. Seine Finger waren mit Ringen bedeckt und seine Uhrkette war schwer von goldenem Behängsel. Er hatte etwas Impertinentes in seinem Wesen wie ein Mensch, dem nichts in der Welt mehr neu ist; er ging in der Stadt am liebsten dorthin, wo man ihn nicht kannte, und nichts beglückte ihn mehr, als wenn man ihn für einen Christen hielt. Klara Rosenau berichtete hastig die neueste Neuigkeit: ein junger Mann wohne seit gestern im Dorf mit der Absicht, über den Kauf der Ziegelei zu verhandeln. Er sei sehr schön und heiße Stefan Gudstikker, doch niemand wisse, was es sonst für eine Bewandtnis mit ihm habe. Bei der Nennung des Namens begann Frau Jette zu zittern, lehnte sich kraftlos zurück und schloß die Augen.
Elkan Geyer und Isidor standen beim Ofen und flüsterten miteinander. Der schwächliche und furchtsame Elkan schien von wilder Beredsamkeit ergriffen, aber Isidor zuckte fortwährend die Achseln, und sein Gesicht wurde grausam und kalt.
»Und wenn er mir das Haus wegnimmt und das letzte Stück Brot, was soll ich tun?« jammerte Elkan, »wer wird helfen?«
Isidor nickte mit schaler Teilnahme und klimperte mit den Talern in seiner Tasche. Und Elkan Geyer fuhr fort: »Der Sürich ist nicht wie Gläubiger sonst, das muß man nicht glauben. Es ist ein eigner Geist in ihm. Er kommt herein und in seinen Augen funkelts vor Haß. Er kommt herein, streckt seinen Hals, lacht, knipst mit den Fingern, er ist unheimlich, jawohl, aber er hat etwas Edles an sich wie ein Löwe. Man müßte einmal von Herzen mit ihm sprechen, vielleicht will er gar nicht das Böse.«
Die Frauen und die Kinder unterhielten sich abseits. Nur Enoch blickte starr auf die beiden Männer und sein gelbes Gesicht mit dem struppigen Bartrand schien versteinert. Er grämte sich, daß man ihm nichts zu essen gab und weil alle seiner vergaßen wie eines abgebrauchten Hausrats. »Sie lauern auf meinen Tod,« dachte er, »aber ich werde noch lange nicht sterben.« Das Kätzchen miaute vor der Tür. Er hörte es nicht; in dunklen Bildern stieg Vergangenes herauf und mischte sich mit Bildern der Gegenwart.
»Ach ja, euern Agathon hab ich gesehen!« rief plötzlich Helene Rosenau. Und sie schilderte nun einen sonderbaren Auftritt, dessen Zeugin sie gewesen und der die Zuhörer mit stummer Erregung erfüllte. Da sie merkte, daß das Vorgefallene am Ende wichtiger war als sie geahnt, suchte sie durch theatralisches Gebaren ihr langes Schweigen vergessen zu machen.
Sürich Sperling war vor seinem Haus am Kirchenplatz gestanden und sein Gesicht war gerötet vom Feuer der Schmiede gegenüber. Da ging Lämelchen Erdmann, ein kleines altes Jüdchen vorüber und sein Köpfchen wackelte betrübt hin und her. Sürich Sperling rief, es solle zu ihm kommen. Und als Lämelchen sich furchtsam aus dem Staube machen wollte, ging Sürich hin und zog es bei den Ohren zu seiner Treppe. Er stierte dem Kleinen lange in die Augen, und sein Mund begann zu lächeln. »Hin ist hin,« sagte er und machte mit dem Arm eine unbestimmte weite Gebärde. »Ich bin ein Mann, mit dem's die Welt verdorben hat. Wenn ich einen Juden seh', kocht mein Blut. Ich kann die Juden riechen, wie der Hund das Wild. Schmied komm mal rüber, leg' den Kerl da unter deinen Amboß.« Der Schmied trat ins Freie und nickte Sürich freundlich zu, der den Kopf des Lämelchen niederzog, daß das Männchen zu schreien anfing. Plötzlich trat Agathon Geyer aus dem Schatten des Brunnens, stürzte auf den Wirt zu und spie ihm ins Gesicht. Sürich Sperling ließ sein Opfer los, packte Agathon, nahm ihn wie ein Paket und verschwand mit ihm im Haus. Der Schmied lachte, die Mägde am Brunnen lachten; alle fanden den Sebalderwirt höchst spaßhaft.
Und war er denn nicht ein prächtiges Menschen-Exemplar? »Er ist ein Germane, das Urbild des Germanen,« sagte Professor Brünotte in Fürth, der Philologe. Sürich Sperling haßte die Juden unbeschreiblich; jede Gebärde, jede Stimme, jede Handlung eines Juden regte ihn auf wie Wein. Es war unerhört und wunderlich; keines Menschen Erfahrung wies einen ähnlichen Fall auf. Er war ein Tier: wild, stolz, unbezähmbar, keinem Vernunftgrund der Welt zugänglich. Niemals hatte er vor einem Herrn den Nacken gebeugt; nie war er wie andere junge Leute seiner Abkunft Knecht gewesen. Es gab Leute, die sich fürchteten, wenn jemand von der Regierung ins Dorf kam; sie fürchteten ein Unglück für den Regierungsmann
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