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Die Juden von Zirndorf

Die Juden von Zirndorf

Titel: Die Juden von Zirndorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Wassermann
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errötete. »Ich schreibe,« sagte er, bemüht, sich selbst zu verspotten. »Ich mache in Kunst. Vielleicht wird man bald von mir hören.«
    »Aber nicht lange,« fügte Agathon versunken hinzu. »Sie haben bloß Funken, keine Flamme.« Er brach erschrocken ab, als er bemerkte, wie Gudstikkers Gesicht sich verzerrte.
    An der Ziegelei trennten sie sich. Agathon ging heim. Es war Vorabendfeier des Laubhüttenfestes. Zum erstenmal hatte Elkan Geyer keine Hütte gebaut. Doch fromme Liebe übergoldete die Ärmlichkeit. Aus nichtigen Dingen war unter den Händen Frau Jettes Poesie entstanden; Äpfel, Nüsse, Trauben lagerten auf blendend weißen Decken, Dielen und Fenster waren gescheuert, eine kupferne Ampel brannte über dem Tisch.
    Enoch Pohl starrte im Sofawinkel. Der fremde Gast war wieder da und las Gebete. Elkan Geyers Gesicht war wie durchpflügt von Unglück. So ging er seit dem Mord herum, keine Silbe war aus ihm herauszubringen. Die verschuldete Summe hatte er im letzten Augenblick noch aufgetrieben und dem Bruder des Toten eingehändigt. Frau Jette siechte hin. Es war oft, als ringe sie mit einer unsichtbaren Macht und sei nicht stark genug, die Arme frei zu bekommen. Daher leuchtete es bisweilen dämonisch auf in ihren Augen, wie von der Gewißheit der Niederlage erfüllt und doch voll trotziger Widerstandslust. Die Sorge um die Kinder beschäftigte sie am meisten, und sie glaubte Ruhe zu haben, wenn nur Elkan endlich die streitige Vorbeterstelle erhielte.
    Um neun Uhr wurden die Kleinen ins Bett geschickt. Alles war still. Der Gast las die Zeitung für das Judentum und sah plötzlich empor.
    »Es steht schlimm mit Jisroel,« sagte er. »Habt ihr gelesen von Rußland? Is der Jüd ein Verbrecher, daß er sich soll steinigen lassen von die Gojim? Es wird ein böses End nehmen, ein End mit Schrecken.«
    Sie sprachen dann vom Brand in Roth und vom Bankrott einiger Nürnberger Bankfirmen. Frau Jette sagte, daß Isidor Rosenau entschlossen sei, sein Geld beim Baron Löwengard zu erheben. Das sei lächerlich, warf Enoch hin; Löwengard sei sicher wie Rothschild. Der Gast hörte es nicht; er redete sich in eine flammende Hitze gegen die Christen und wurde schließlich phantastisch in seinen Anklagen. Er ist um ein paar Jahrhunderte verspätet, dachte Agathon. Er kannte viele solcher Juden; das Gebet ging ihnen über alles, über Gott selbst und wer nicht betete, war der Feind, der Christ; etwas Unreines, Übelriechendes lag über diesen Eiferern wie über abgestandener Speise.
    »Ja,« sagte Elkan Geyer müde, »das ist ja ganz recht, aber schließlich sind wir doch nur Geduldete. Wir speisen an einer fremden Tafel und bei einem fremden Volk. Was können wir fordern? Nichts. Erobert haben wir ja genug, die einen viel, die andern wenig.«
    »Und wenn der Messias kommt, wird alles unser sein,« murmelte der Gast und drückte die Augen zusammen.
    Elkan bog den Kopf leicht vor und seine beiden Mundwinkel zuckten. Darin lag schmerzlicher Zweifel. Agathon liebte in diesem Augenblick den Vater sehr.
    Bald sagte er gute Nacht. Ihm war wunderlich zu Mut. Er hatte ein Gefühl von Macht und Freiheit; ihm war, als könne er die bunten Verwicklungen des Lebens lösen, wenn er nur die Hand erhob. Er wollte noch nicht schlafen, darum ging er in den Hof und schlürfte die Nacht in sich ein, die so still war, spätsommerlich lau, trotzdem der Oktober schon weit vorgerückt war. Der zerbrochene Zaun, der verwilderte Gemüsegarten, in der Ferne die Felder, die niederen Häuser, alles zitterte in der sanften Bronzierung des sinkenden Mondes. Er hörte etwas murmeln, ging ohne Furcht den Lauten nach, öffnete das Scheunentor und wurde bleich vor Bestürzung, als er auf einem Strohlager den alten Gedalja gewahrte, der in einen Kerzenstumpf blickte und Agathon eifrig zu sich herwinkte, als er ihn gewahrte.
    »Psch! nix reden!« rief er mit unterdrückter Stimme. »Mausstill sein, sonst schneid' ich d'r ab die Ohren. Setz' dich her zu mir, und ich will d'r sagen was Guts für dein Leben. Hör zu, Jung. Ob de bist reich, ob de bist arm, 's is ganz egal; ob de bist gottesfürchtig, ob de bist nit gottesfürchtig, 's is aach egal. Müßt ich sonst sitzen auf Stroh in der Scheune wie Hiob, und unterm Gras wie Nebukodnezor? Ich will dir geben en guten Rat un sollst'n nit vergessen in deinem Leben. Sag' niemals, un wenn de wirst siebzig Jahr, sag' niemals, daß de hast einen Menschen, wozu de haben kannst Vertrauen. Gott im Himmel, bin ich

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