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Die Juden von Zirndorf

Die Juden von Zirndorf

Titel: Die Juden von Zirndorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Wassermann
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Gewand und der Himmel wölbte sich in mattem, kalten Licht.
    »Sehen Sie die Nebelelfen?« fragte Agathon.
    »Ja. Und Irrlichter zeigen den Weg.«
    »Ist Ihnen warm?«
    »Ja.«
    »Das ist gut. Das nächste Mal nehmen wir Mirjam mit.«
    »Wer ist Mirjam?«
    »Meine Schwester.«
    »Sonderbarer Name.«
    »Er ist hebräisch und heißt: die Widerspenstige.«
    »Ist sie widerspenstig?«
    »Ganz und gar nicht.«
    Dies wurde in vollstem Lauf, auf klirrender Schneebahn hin- und hergerufen. Endlich kam der See. Zauberhaft! Glattgefroren die weite Flache; Schimmer auf Schimmer, golden, silbern; Millionen blitzender Funken; und Agathon flog hin wie ein Pfeil!
    Vom Ufer erhob sich eine Gnomenschar, lachend, echoend und tanzte mit weiten Sprüngen um das Gefährt. Käthe schlug voll Entzücken die Hände zusammen, denn die Landschaft war zum Zauberreich geworden. Man sah Lichter wie in einem Saal; bisweilen tönte es aus der Ferne wie Gesang von Mädchenstimmen, bisweilen wie Glockenklang; Ritter und Knappen und edle Damen stiegen aus der Tiefe zum Tanz gekleidet: hier war einst eine mächtige Burg versunken. Käthes Blut floß rasch und stürmisch. Sie erinnerte sich nicht, je so glücklich gewesen zu sein, sie war wie berauscht und Agathon lächelte sie an, seltsam, träumerisch. Wie ein Sturm fuhr die Sehnsucht -in seine Brust, ein ganzes Land, ein ganzes Volk so zum Glücke zu verwandeln, selber hinzufliegen in freudig-schauernder Bewegung, in der Hand die stammende Fackel einer neuen Zeit ...
    Aber Käthe erinnerte daran, daß es zehn Uhr sein müsse, und der Schlitten mußte umkehren.

Elftes Kapitel

    In heiterer Stimmung verließ Bojesen seine Wohnung und der neblige Dezembermorgen trübte nicht die Klarheit seines Innern. Da begegnete ihm der Postbote und händigte ihm ein Schreiben ein. Er riß den Brief auf und las:
    Kommen Sie nicht wieder. Lassen Sie mir die Freiheit ganz, die ich einmal erwählt habe. Ich könnte ja fordern, aber ich bitte nur. Fragen Sie nicht, warum. Haben Sie nie bemerkt, daß, wenn zwei Schicksale sich verketten, der Weg doppelt so schmal wird? Das Leben ist zu klein und kann nicht durch einen großen Sinn regiert werden. Können Sie sich denken, daß man nicht mehr an all die schönen Worte glaubt, von Freiheit, Liebe, Seele und so weiter, sondern nur an das taube, blinde Ungefähr –? Der eine sucht sein Schicksal, den andern findet es. Kommen Sie nicht wieder!
    Bojesen war nicht genug Frauenkenner, um die matte Energie des gequälten Schreibens zu durchschauen. Er nahm sich den Brief zu Herzen, kehrte hastig in seine Wohnung zurück, setzte sich an den Schreibtisch, kaute einige Zeit beklommen am Federhalter und begann:
    Ich dachte eine starke Frau zu finden und fand eine schwache. Oder wie ist es? Was soll ich davon denken? Bedeutet das die Schrankenlosigkeit der Leidenschaft, von der du geträumt hast? Ist es die gewöhnliche, banale Romanreue? Sind die Flügel schon zerbrochen, ehe man sich über das Dach des nächsten Philisterhauses erhoben hat? Das Schicksal ist ungewöhnlich mit uns verfahren, und wir müssen uns ungewöhnlich an ihm revanchieren. Ich sehe dich noch in deiner Glut, in deinem Lächeln, in deiner Hinreißendheit. Und nun?
    So weit war er gekommen, als sich eine Hand auf seine Schulter legte. Zurückschauend gewahrte er seine Gattin und zuckte zusammen. »Erich, du schreibst an eine Frau,« sagte sie langsam und betont.
    Sie war leichenblaß und hatte mit der Hand krampfhaft die Stuhllehne gefaßt.
    In einem solchen Fall erfindet ein Mann entweder eine zärtliche Lüge oder er wird brutal. Bojesen lachte, schlug das angefangene Schreiben zusammen und zerfetzte es. Dann setzte er seinen Hut auf, um zu gehen.
    »Erich, ich kenne sie nicht, diese Frau, aber sie wird dich zu Grund richten. Ich will mich nicht vor dich hinstellen mit Verzweiflungsausbrüchen. Ich bin dir nicht gut genug zur Offenheit, obwohl ich zu vielen Dingen nicht zu gut war, wie das schon so geht.«
    »Aber du phantasierst ja, du träumst,« rief Bojesen, erschrocken und gespannt.
    »Wir liegen immer noch Bett an Bett und auch du träumst.«
    »Was soll das heißen?«
    »Ich kann oft nachts nicht schlafen, und ich höre und sehe deine Träume. Die Ampel bescheint dein Gesicht und mit diesem Gesicht bist du dann bei ihr, verstehst du?«
    Bojesen nagte an seinen Lippen. Er ging und war beschämt. Er kaufte Zigarren und begann zu rauchen, was er sonst des Vormittags nie zu tun pflegte. In den düsteren

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