Die Juedin von Toledo
Gerüchte flatterten auf um den Fremden, der da kommen sollte.
Dann kam er. Mit ihm seine Tochter Raquel, sein Sohn Alazar und sein vertrauter Freund, der Arzt Musa Ibn Da’ud.
Jehuda liebte seine Kinder und machte sich Gedanken darüber, ob sie, aufgewachsen in dem verfeinerten Sevilla, sich ins derbe Leben Kastiliens würden einfügen können.
Dem tatenlustigen Alazar, dem Vierzehnjährigen, wird freilich die rauhe, ritterliche Welt gut gefallen; wie aber wird es mit Rechja sein, mit seiner lieben Raquel?
Zärtlich, mit leiser Sorge, beschaute er sie, wie sie neben ihm herritt. Sie reiste, wie das üblich war, in Männerkleidung. Jünglinghaft saß sie im Sattel, etwas schlaksig, eckig, kühn und kindlich. Kaum hielt die Kappe das dichte, schwarze Haar. Mit den großen, blaugrauen Augen, aufmerksam, musterte sie die Menschen und Häuser der Stadt, die nun ihre Heimat sein sollte.
Jehuda wußte, daß sie keine Mühe scheuen werde, sich dieses Toledo zur Heimat zu machen. Kaum nach Sevilla zurückgekehrt, hatte er ihr auseinandergesetzt, was ihn forttrieb. Er hatte mit ihr, der Siebzehnjährigen, so freimütig gesprochen, als wäre sie ihm gleich an Alter und Erfahrung. Er spürte, seine Raquel, so kindlich sie sich noch manchmal gab, begriff ihn aus dem Gefühl heraus. Sie gehörte zu ihm, sie war – gerade in jener Unterredung hatte es sich gezeigt – in Wahrheit eine Ibn Esra, tapfer, gescheit, aufgeschlossen allem Neuen, voll von Gefühl und Phantasie.
Aber wird sie sich hier bei diesen Christen und Soldaten zurechtfinden? Muß sie in dem kahlen, kalten Toledo ihr Sevilla nicht vermissen? Dort hatte jedermann sie gerne gehabt. Nicht nur hatte sie Freundinnen ihres Alters, auch die Herren in der Umgebung des Emirs, diese kundigen, wissenden Diplomaten, Dichter, Künstler, hatten ihre Freude an den naiven, merkwürdigen Fragen und Beobachtungen dieses halben Kindes Raquel.
Wie immer, jetzt waren sie in Toledo, und da war das Castillo de Castro, und jetzt nahmen sie es in Besitz, und von jetzt an wird es das Castillo Ibn Esra sein.
Jehuda war freudig überrascht, was alles seine erprobten Helfer in so kurzer Zeit aus dem unwirtlichen Hause gemachthatten. Die Steinböden, die früher jeden Schritt hatten dröhnen lassen, waren mit sanften, dicken Teppichen belegt. Sofas zogen sich an den Wänden hin mit bequemen Polstern und Kissen. Friese, rot, blau und golden, liefen um den Raum; verwebt in kunstvolle Ornamente, luden arabische und hebräische Inschriften zur Betrachtung. Kleine Fontänen, gespeist durch ein klug erdachtes System von Wasserröhren, gaben Kühlung. Ein weiter Raum war da für Jehudas Bücher; manche lagen aufgeschlagen auf Pulten und zeigten die kunstreichen, farbigen Initialen und Randleisten.
Und da war der Patio, jener Hof, in dem er damals den großen Entschluß gefaßt hatte, da die Fontäne, an deren Rand er gesessen war. Genau wie er sich’s gedacht hatte, hob sich und fiel ihr Strahl, gleichmäßig still. Das dichte dunkle Laub der Bäume vertiefte die Stille; durch das Laub aber schauten sattgelb Orangen und mattgelb Zitronen. Zugeschnitten waren die Bäume, bunt und kunstvoll geordnet die Blumenbeete, und überall war sanft rinnendes Wasser.
Doña Raquel, mit den andern, besichtigte das neue Haus, weitäugig, aufmerksam, einsilbig, doch innig vergnügt. Dann nahm sie Besitz von den beiden Räumen, die ihr bestimmt waren. Entledigte sich der engen, reibenden Männerkleidung. Ging daran, sich von dem Staub und Schweiß der Reise zu säubern.
Neben ihrem Schlafzimmer war eine Badekammer. In den fliesenbedeckten Boden eingelassen war ein tiefes Bassin, versehen mit einer Röhrenleitung für warmes und kaltes Wasser. Bedient von ihrer Amme Sa’ad und der Zofe Fátima, badete Doña Raquel. Wohlig lag sie in dem warmen Wasser und hörte mit halbem Ohr auf das Geschwätz der Amme und der Dienerin.
Bald hörte sie nicht mehr, sondern überließ sich ihren wandernden Gedanken.
Es war alles wie in Sevilla, sogar die Wanne, in der sie lag. Aber sie selber war keine Rechja mehr, sie war Doña Raquel.
Auf der Reise, abgelenkt von immer neuen Eindrücken,war sie sich niemals ganz bewußt geworden, was das bedeutete. Nun, da sie angekommen war und entspannt in der Ruhe des Bades lag, überfiel sie zum erstenmal mit ganzer Wucht das Gefühl der Veränderung. Wäre sie noch in Sevilla gewesen, dann wäre sie zu ihrer Freundin Layla gelaufen, um sich mit ihr auszusprechen. Layla war ein
Weitere Kostenlose Bücher