Die Juedin von Toledo
wenn ihnen Alfonso von seinem Plan sprach, waren zuerst erstaunt, ja, betreten, dann entzückt. Den älteren Feldhauptleuten von seinem Vorhaben zu reden, unterließ der König.
Doña Leonor war länger in Burgos geblieben, als sie beabsichtigt hatte. Von hier aus war es leichter, den Granden des nördlichen Kastiliens und den Räten von Aragon zuzusetzen, daß sie Alfonso bald die nötigen Hilfskräfte stellten. Sie brannte danach, daß er seinen Feldzug beginne. Seitdem sie erkannt hatte, wie tief sich jenes geile Fieber für die Jüdin in ihn eingefressen hatte, war ihr Argwohn niemals völlig eingeschlafen. Ganz genesen von seiner höllischen Krankheit wird Alfonso erst durch den Krieg.
Dann hatte sie Nachricht erhalten – er selber hatte ihr’s fröhlich mitgeteilt –, wie kühn er den frechen moslemischen Prinzen zu seinem Kalifen heimgeschickt hatte. Das erste, was sie spürte, war eine wilde Freude gewesen: nun war der Krieg da. Gleich darauf hatte sie die ganze Gefahr erkannt, die aus Alfonsos Kühnheit wachsen mußte. Niederlage, hatte sie gedacht, nun wird Niederlage sein. Vielleicht nicht die Niederlage, aber Niederlage. Das schuf ihr, neben Zorn und Sorge, finstere Genugtuung. In ihr festgehakt hatte sich, was die Mutter von den wohltätigen Folgen einer Niederlage gesagt hatte. Niederlage mehrte die Kraft, heizte die Energie, Niederlage öffnete zehn neue Möglichkeiten; es bereitete ihr einen wunderlichen Kitzel, an Niederlage zu denken.
Sie war sogleich nach Toledo aufgebrochen. »Geh nach Toledo«, hatte die Mutter befohlen. Die verbrecherische Unbesonnenheit, mit welcher Alfonso den moslemischen Gesandten herausgefordert hatte, mehrte nur ihre Liebe. Und immer mischte sich in ihre heiße Sehnsucht nach Alfonso jenes leise,dunkle Frohlocken: Jetzt kommt Niederlage. Jetzt ist es aus mit der andern. Actum est de ea – Es ist um sie geschehen.
Da sie den König in Toledo nicht mehr antraf, hatte sie einen Vorwand gefunden, ihm in den Süden nachzureisen. Don Pedro, der plangemäß ins Gebiet von Valencia eingefallen war und seinen Vormarsch gegen die Hauptstadt Valencia nicht aufgeben wollte, hatte gezögert, Alfonso vor der vertraglich festgesetzten Frist Hilfstruppen zu stellen. Sie aber hatte ihm nun ein bindendes Versprechen abgerungen: er wird binnen längstens sechs Wochen zehntausend Mann schicken, und achthundert Mann schon jetzt, um seinen guten Willen zu zeigen. Dem Alfonso diese glückliche Nachricht zu bringen, reiste sie selber nach Calatrava.
Er kam ihr entgegen, sie zu begrüßen. Sie verbarg nicht ihre helle Freude an seinem Anblick. Hier unter seinen Rittern in der strengen Luft der Festung Calatrava war er ganz der Alfonso, den sie sich wünschte.
Sie berichtete strahlend, wie sie den widerstrebenden Don Pedro dazu vermocht hatte, Verstärkungen schon in wenigen Wochen zu senden. Alfonso dankte ihr herzlich. Verschwieg ihr, daß ihm ihre Botschaft keineswegs willkommen war. Sein Vorhaben, sich dem Kalifen in offener Feldschlacht zu stellen, hatte sich gefestigt. Wenn nun bekannt wurde, daß aragonische Verstärkungen schon in naher Zukunft zu erwarten waren, werden seine Räte und Offiziere seinem Plan noch heftiger widerstreben.
Der betagte Ordensmeister Nuño Perez und Don Manrique de Lara suchten Doña Leonor auf. Der Plan des Königs war trotz seiner Zurückhaltung ruchbar geworden und machte den Umsichtigen unter seinen Freunden große Sorge. Die alten Herren stellten Doña Leonor vor, wie gefährlich das Unterfangen sei und wie wichtig es sei, die aragonischen Truppen abzuwarten. Sie baten die Königin, sie möge Don Alfonso bewegen, von seinem Vorhaben abzustehen.
Doña Leonor erschrak. Sie verstand nichts von Strategie, sie wollte nichts davon wissen, sie und Alfonso waren stillschweigendübereingekommen, daß sie teilhabe an den Staatsgeschäften, doch nicht an der Kriegführung. Dieses Mal aber, das begriff sie, ging es um den Bestand des Reiches. Sie erinnerte sich, wie Alfonso damals gegen die Warnung seiner Ratgeber Sevilla angegriffen hatte, sie ahnte, sie wußte, es war ihm Ernst mit diesem tollkühnen Projekt. Ihre Vernunft sagte ihr, sie müsse sich mit Alfonso aussprechen. Aber sie wollte sich ihm gerade jetzt nicht unlieb machen, sie wollte ihm nicht mit verhaßten Ratschlägen kommen; überdies flüsterte es kitzelnd tief in ihrem Innern: Niederlage.
Liebenswürdig und doch ganz Königin antwortete sie den besorgten Herren: sie verstehe nichts von
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