Die Juedin von Toledo
Fragen der Strategie, sie habe alle die Jahre her niemals mit Alfonso über derlei Fragen gesprochen, sie bewundere seinen kriegerischen Genius, und es stünde der Königin von Kastilien schlecht an, den fürstlichen Mut und die fromme Zuversicht ihres Gemahls mit kleinmütigen Bedenken anzunagen.
Sie blieb zwei Tage und Nächte in der Festung. Es war ihr in aller Eile prächtiges Quartier bereitet worden; denn es ziemte sich nicht, daß sie mit Alfonso im gleichen Hause schlief. Die Kreuzfahrer, so wollte es die Sitte, enthielten sich der Frauen. Doch nahmen nur wenige der Ritter diesen Brauch ernst, und Leonor, nachdem Alfonso bei ihr zu Abend gegessen hatte, erwartete, er werde bleiben. Allein er sagte ihr auf herzliche Art gute Nacht, küßte ihr die Stirn und ging. Und so hielt er’s am zweiten Abend.
Als sie zurückritt, begleitete er sie eine gute Stunde lang.
Sie, als er sich verabschiedet hatte, beantwortete nur einsilbig das Gerede ihrer Begleiter. Bald auch, obwohl eine gute Reiterin, befahl sie ihre Sänfte.
Geschlossenen Auges saß sie in der Sänfte. Alfonso war erfüllt von seinem Krieg, auch war er kein Mann der schnellen, gelegentlichen Liebe. Sie brauchte sich nicht verschmäht zu fühlen. Und bestimmt nicht war es das Gedächtnis der Jüdin, das ihn ihr ferngehalten hatte.
In Toledo hatte sie sich viel mit der andern beschäftigt, mitder Jüdin. Die andere war dort sehr nahe, man mußte an sie denken. Sie saß da unten, die andere, kühn und dumm, sie war in Leonors Gewalt gegeben wie die Stadt und alles ringsum, Leonor brauchte nur zuzugreifen. Das hatte sie nicht eben gedacht, aber gespürt, und jetzt, in der Sänfte, auf dem Weg nach Toledo, dachte sie es. Jetzt auch, in der Sänfte, gegen ihren Willen, trachtete sie, sich die andere deutlich zurückzurufen, Gesicht, Gestalt, Bewegung. Stellte sich vor, wie Raquel nackt ausschauen mochte. Maß sich mit ihr. Sie, Leonor, hatte sich gut gehalten; das hatte sogar die Dame Ellinor anerkannt, die scharf und bös von Urteil war. Daß die andere zehn oder zwölf Jahre nach ihr aus ihrer Mutter Leib gekrochen war, das war es sicher nicht, was Alfonso von Leonor zu der andern gezogen hatte. Es war Hexerei gewesen, ein Fieber, eine böse Krankheit. Und sowie Alfonso wieder ganz er selber ist, nach seiner großen Schlacht, ob sie nun Sieg bringt oder Niederlage, wird er die andere vergessen haben. Sie wäre eine Närrin gewesen, wenn sie sich von den alten Herren hätte bereden lassen, Alfonso von seiner Schlacht abzuraten.
Sie war keine Närrin. Sie war klug, sie war jung, sie war schön, sie war ihrer Sache sicher.
Meldung kam, das moslemische Heer rücke in drei Säulen nach Nordosten vor. Alfonso konnte nicht länger warten, er mußte seinen Räten und Feldhauptleuten seinen Plan eröffnen.
Er berief den Kriegsrat. Enthusiastisch legte er den Plan dar. Er wolle den Moslems entgegenrücken, ins »Gebreite der Arroyos«. Dort, zwischen den tiefen Rissen der ausgetrockneten Bergbäche, habe er die Schlacht geschlagen, die ihm seinen ersten großen Erfolg und die Festung Alarcos gebracht habe. Niemand in Hispanien kenne dieses Gelände so gut wie er. In kühnen, überzeugten Worten stellte er dar, wie er den Kalifen nötigen werde, den tiefern Teil der langsam sich senkenden Ebene einzunehmen, wie er große Teile des feindlichen Heeres, gerade weil es so zahlreich sei, ins Unterholzund in den Wald hineinzwingen werde. Er zweifle nicht am Sieg. Und dann liege das ganze südliche Andalús offen vor ihnen, Córdova, Sevilla, Granada, und der Krieg sei zu Ende, kaum daß er begonnen habe.
Die jüngeren Herren stimmten begeistert zu.
Der alte Don Manrique aber warnte ehrerbietig und dringlich. Es sei mehr als gewagt, einem Heere von so ungeheurer Übermacht eine offene Feldschlacht anzubieten. Erringe man keinen entscheidenden Sieg, dann sei Toledo verloren. Der kriegskundige Baron Vivar pflichtete Manrique bei. »Deine Majestät«, führte er aus, »hat mit Mühe und Kunst die Festungen Calatrava und Alarcos zu den stärksten der Halbinsel gemacht. Im Schutz ihrer Mauern können wir in Ruhe die Ankunft unserer Verbündeten abwarten. Das moslemische Heer ist gerade infolge seiner riesigen Zahl schwer zu verproviantieren; die Belagerung wird es sehr vermindern. Treffen dann die Aragonier ein, so wird unsere Armee der des Kalifen an Stärke nicht mehr so verzweifelt unterlegen sein. Dann, Herr König, wenn Gott es dich heißt, schlage du deine
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