Die Juedin von Toledo
eine »Hand der Fátima«, ein Amulett, das verboten, doch sehr wirksam war, und sie beschwor Raquel, es zu tragen, und Raquel war bewegt und nahm es.
Wenn die Amme Sa’ad Dinge aus der Stadt benötigte, mußte sie sich an Belardo wenden. Sie verstanden einander nur mit Mühe, und der feiste Ungläubige war ihr so widerwärtig wie sie ihm. Beide aber hatten sie das Bedürfnis zu schwatzen. Da saßen sie zusammen auf einer Bank im Schatten eines Baumes, sie tief verschleiert, und schimpften. Sie, annehmend, er werde sie nicht verstehen, äußerte in kehligem, geschwindem Arabisch sehr abschätzige Urteile über den König Unsern Herrn; er rügte und beklagte in derbem Kastilisch das abscheuliche Verbrechen des christlichen Königs, der in der Zeit des Heiligen Krieges mit einer Jüdin schlief. Sie verstanden einander nicht und nickten sich Zustimmung.
Mittlerweile hatte Don Alfonso seine Hunde kommen lassen, große Hunde, Raquel mochte sie nicht. Er tummelte sichmit den Tieren herum, warf ihnen beim Essen Stücke Fleisches hin. Das stieß Raquel ab, die an stille, genaue Eßsitten gewohnt war. Er merkte ihre Verstimmung, gab es auf, die Hunde zu necken und zu füttern, begann von neuem. Sie spielten Schach. Sie spielte gut und beteiligt und dachte lange nach, bevor sie zog. Das machte ihn ungeduldig, er forderte sie auf, endlich weiterzuspielen. Sie sah verwundert hoch, eine solche Aufforderung war in islamischen Ländern nicht üblich. Er selber, überschnell, wollte einmal einen Zug zurücknehmen. Sie war befremdet; hatte man eine Figur angerührt, dann mußte man mit ihr ziehen. Freundlich machte sie ihn auf die Regel aufmerksam. Er sagte: »Bei uns ist es nicht so«, und nahm den Zug zurück. Für den Rest des Spieles blieb sie schweigsam und legte es darauf an, sich schlagen zu lassen.
Sie angelten. Sie machten Kahnfahrten auf dem Flusse Tajo. Sie bat ihn, sie auf Fehler in ihrem Latein und Kastilisch aufmerksam zu machen, und versuchte ihresteils, sein Arabisch zu verbessern. Er faßte rasch auf, aber er legte kein Gewicht auf derlei Dinge.
Es gab Sanduhren in der Galiana, Sonnenuhren und Wasseruhren; Raquel warf keinen Blick darauf. Ihre einzige Uhr waren die Blumen. Da waren die Rosen von Schiras, sie öffneten sich des Mittags, da waren die Tulpen von Konja, sie gingen erst spät am Nachmittag auf, da war der Jasmin, er sandte seinen rechten Duft nur um Mitternacht.
Allein es kam ein Morgen, da drang Garcerán zu Alfonso vor und meldete: »Mein Vater ist da.« Don Alfonsos breite, klare Stirn furchte sich gefährlich. »Ich will niemand sehen«, rief er, »ich will nicht!« Garcerán schwieg eine kleine Weile, dann antwortete er: »Mein Vater, dein Erster Minister, läßt dir sagen, er habe so viele Botschaften wie graue Haare auf dem Kopf.« Alfonso, in seinen Hausschuhen, ging auf und ab. Garcerán folgte ihm mit dem Blick, fast hatte er Mitleid mit dem Freund. Schließlich, böse, sagte Alfonso: »Bitte deinen Vater, er möge sich eine kleine Weile gedulden. Ich werde ihn sehen.«
Don Manrique hatte kein Wort des Vorwurfs, er sprach von den Geschäften, als hätte er den König gestern verlassen. Der Ordensmeister von Calatrava verlangte in dringlicher Angelegenheit Audienz. Der Bischof von Cuenca war in Toledo und bat, dem König die Sache seiner Stadt selber vortragen zu dürfen. Die gleiche Bitte hatte eine Delegation der Stadt Logroño, auch eine Deputation von Villanueva. Man war beunruhigt, daß sich der König nicht sprechen ließ. Alfonso erwiderte heftig: »Muß ich immer dasitzen und warten, ob irgendwer eine unverschämte Bitte hat? Es sind noch keine zwei Monate, daß ich dem Bischof von Cuenca tausend Maravedí anwies. Ich will seine fromme, gierige Fresse nicht sehen.« Don Manrique, als hätte Alfonso nichts gesagt, fuhr fort: »Villanueva hat Versprechungen und wartet. Die Privilegien für Logroño brauchen deine Unterschrift. Die Sache mit Lope de Haro muß entschieden werden, Bescheid ist seit langer Zeit versprochen. Der Ordensmeister kann ohne deine Entschließung den Ausbau von Calatrava nicht weiterführen. Bürger deiner Stadt Cuenca warten in den Verliesen des Castro.« Alfonso, finster, doch ohne Schwung, sagte: »Ich selber habe viel warten müssen, du weißt es, Don Manrique«, und: »Ich werde morgen in Toledo sein«, schloß er jäh.
Er ging zu Raquel. Brüsk – Schmerz und Ärger machten ihn ungeschickt – teilte er Raquel mit: »Ich muß morgen nach Toledo.« Sie
Weitere Kostenlose Bücher