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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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wurde tödlich blaß. »Morgen?« fragte sie sinnlos. »Aber ich bleibe nur kurz«, versicherte er eilig, »am dritten Tage bin ich zurück.« – »Am dritten Tage«, sagte sie ihm nach, und wieder klang es kläglich sinnlos, als begreife sie nicht. Und: »Geh noch nicht«, bat sie, und nochmals und nochmals: »Geh noch nicht.«
    Er verritt früh am Morgen, und Raquel war allein.
    Der Morgen war endlos, und es wird ein anderer Morgen sein und ein dritter, ehe er wieder da ist.
    Sie ging in den Garten, sie ging an den Tajo, ging zurück ins Haus, ging wieder in den Garten, schaute auf die finstere StadtToledo, und die Rose von Schiras war immer noch geschlossen, und es war noch immer nicht Mittag. Und nachdem die Rose aufgegangen war, schlichen die Stunden noch langsamer. Raquel, am frühen Nachmittag, lag im Schatten ihres Zimmers, es war sehr heiß, und wurde es denn niemals Abend? Und sie ging von neuem in den Garten, aber die Tulpen waren noch geschlossen, und die Schatten waren kaum länger geworden. Endlich war es dunkel, aber da wurde es nur quälender.
    Nach einer ewigen Nacht dämmerte ein schwärzlichgrauer Morgen, wurde heller grau, filterte weißlich durch die Vorhänge. Sie stand auf, ließ sich baden, salben und ankleiden und säumte und zögerte. Man brachte ihr das Frühstück, doch die Früchte waren ihr nicht saftig, die erlesenen Süßigkeiten nicht süß. Mit ihrem innern Aug sah sie den Alfonso, der nicht da war, wie er achtlos und gierig aß und trank. Sie sprach zu ihm, sagte seinem Luftbild verliebte Worte, rühmte sein mageres, männliches Gesicht, die rotblonden Haare, die nicht großen, scharfen Zähne. Ihre Hände glitten seine Weichen und seine Hüften hinab, sie sagte ihm schamlose Worte, die sie dem Alfonso aus Fleisch und Blut nicht hätte sagen können, und sie errötete und sie lachte.
    Sie erzählte sich selber Märchen. Da waren Riesen, Untiere, die alles ringsum totschlugen und das Mark fressen wollten aus den Knochen ihrer Feinde. Sie äußerten Sätze, die Alfonso geäußert hatte, doch verstärkt ins Ungeheuerliche. Alfonso war einer dieser wüsten Gesellen, aber sie konnte nicht entdecken, welcher. Auch war es eigentlich nicht er, es war ein verwandelter, verzauberter Alfonso, der auf die Geliebte wartete, die ihn erlösen sollte aus der Gestalt, die er hatte annehmen müssen. Und sie wird ihn erlösen.
    Sie dachte daran, wie sie das erstemal zu ihm gesprochen hatte in Burgos und ihm gesagt, daß ihr sein finsteres Kastell nicht gefalle. Und sie dachte an seine Sultanin Doña Leonor, wie sie sie mit gnädig kaltem Blick geprüft und abgeschätzt hatte. Ein leises Unbehagen war in ihr, sie schüttelte es ab.
    Sie schrieb Alfonso einen Brief, nicht daß er ihn je lese,aber sie mußte bekennen, wie sehr und warum sie ihn liebte. Und sie schrieb mit aller Kraft ihres Herzens: »Du bist herrlich, Du bist der größte Ritter und Held in Hispanien, Du setzest Dein Leben ein für törichte Dinge, weil ein Ritter so tun soll, und das ist sinnlos und hinreißend, und darum liebe ich Dich. Mein Lieber, Ungeduldiger, Kriegerischer, Du bist laut, stürmisch, ungebärdig wie ein wilder Vogel, und ich möchte Dich in meinem Schoße haben.« Sie las, was sie geschrieben hatte, und sie nickte ernsten, wilden Gesichtes.
    Sie hatte, um die Sprache zu studieren, ein kleines Buch fränkischer Verse gelesen; ein Gedicht hatte ihr besonders gefallen. Sie suchte das Buch her und lernte das Gedicht auswendig. »Sagte die Dame: ›Jedes Gelübde will ich tun für dich, mein Freund und wahrer Herzenswunsch – mon ami et mon vrai désir.‹ Sagte der Ritter: ›Wie hab ich es verdient, Dame, daß du mich so liebst?‹ Sagte die Dame: ›Weil du ganz so bist, wie ich es mir träumte, mon ami et mon vrai désir.‹«
    Sie ging in den Park. Der Gärtner Belardo pflückte Pfirsiche, und sie bat ihn, er möge – wie man das in Sevilla tat – ein paar Früchte stehenlassen, damit der Baum nicht traurig sei. Belardo hörte sogleich mit dem Pflücken auf, aber sie spürte Feindschaft hinter seiner Bereitwilligkeit.
    Sie saß am Ufer des Tajo und schaute nach Toledo und träumte. Sie dachte an Alfonso in seiner silbernen Rüstung. Sie wird ihm eine Rüstung schenken, wie der Waffenschmied Abdullah in Córdova sie fertigte, schwärzlichblau, mit vielen beweglichen Teilen, sehr elegant und dennoch ein besserer Schutz als die Panzerhemden der Christen. Der Vater mußte ihr die Rüstung besorgen.
    Mit einemmal

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