Die Juliette Society: Roman (German Edition)
dann ein, während ihre dünnen, biegsamen Finger in einem völlig anderen Rhythmus meine Muschi wie ein Kolben vögeln.
Es ist wie diese Geschicklichkeitsübung, die man als Kind lernt: Man muss sich gleichzeitig den Bauch reiben und mit dem Fuß auf den Boden klopfen und darf dabei nicht durcheinanderkommen. Das kann man nur schaffen, wenn man aufhört, darüber nachzudenken und seine Körperteile rein instinktiv bewegt. Genauso ist das mit Sex. Gutem Sex. Der Körper bleibt ständig in Bewegung, der Geist entspannt sich vollkommen, gibt die Kontrolle ab und beobachtet nur.
Alles, was Anna mit mir macht, fühlt sich so gut an, dass ich meine Position verändere und mit Jack das Gleiche mache. Ich züngle an seinem Arschloch, was ich noch nie gemacht habe, weil Jungs, insbesondere heimliche Machos wie Jack, ein Problem damit haben, dort berührt zu werden.
Aber jetzt setze ich genau dort meine Zunge ein, und er beschwert sich nicht. Ich kann ihn stöhnen hören; leise, als wolle er nicht, dass Anna und ich es mitbekommen – aber ich höre ihn trotzdem. Ich fange an, seinen Schaft zu massieren, indem ich die Vorhaut dabei leicht drehe, und er verliert die Beherrschung, lässt sich gehen und stöhnt ein bisschen lauter.
Wir sind drei Körper, die miteinander verschmelzen. Frei vom Ego, die Persönlichkeiten haben sich aufgelöst. Es gibt keine Grenze mehr zwischen Jack und Catherine und Anna. Es gibt weder männlich noch weiblich. Wir sind eine Person, ein Geschlecht. Wir ficken wie eine Maschine. Bewegen uns synchron. Atmen im Rhythmus. Stöhnen im Einklang. Die perfekte Melodie.
Als wir kommen, kommen wir alle gemeinsam, explodieren gemeinsam.
Und mein Wunsch hat sich mehr als erfüllt.
14. Kapitel
Jetzt erinnere ich mich an alles. Ich erinnere mich an jedes Detail. Ich erinnere mich daran, wie es war, als mir Sex zum ersten Mal bewusst wurde. Nicht der Akt selbst, aber die Idee davon. Ich erinnere mich, als sei es gestern gewesen. Das hört sich jetzt vielleicht ein bisschen bizarr an, und vielleicht ist es schwer zu glauben, aber ich schwöre, es ist die Wahrheit.
Als ich elf war oder zwölf oder dreizehn – daran erinnere ich mich nicht mehr so genau –, zeigte mir meine beste Freundin ein paar vergilbte Seiten mit Eselsohren, die sie in der Schreibtischschublade ihres Vaters gefunden hatte. Wir lagen in ihrem Zimmer auf dem Boden, während sie sie mir vorlas.
Es war eine Sexgeschichte. Eine richtig versaute Geschichte in Briefform. Pornografie ohne Bilder. Pornografie, bevor es Videokassetten gab, DVDs, Smartphones und das Internet. Pornografie, bei der die schmutzigen Bilder im Kopf entstehen.
Wir fanden heraus, dass dieser Brief gar nicht von ihrem Vater, sondern von ihrem Großvater stammte, der in Vietnam gekämpft hatte. Das einzige, was von ihm übrig blieb und den Weg zurück in die Heimat gefunden hatte, war ein verbeultes Kästchen voller feuchter, stockfleckiger Erinnerungen an die Heimat, die er verlassen, und die Familie, die ihn verloren hatte. Ein Seidenhöschen ihrer Großmutter, das noch flüchtig nach dem Parfüm roch, das sie bei ihrer ersten Verabredung getragen hatte, ein paar Fotos von ihrem Vater als kleines Baby, die bereits alt und verblichen waren und aussahen, als wären Tränen darauf vergossen worden. Und ein mit einer blauen Schleife verschnürtes Bündel Briefe. Der Brief mit der versauten Geschichte war einer davon. Er war an ihn adressiert. Aber wir wussten nicht, wer ihn ihm geschickt hatte, denn wir konnten nirgends eine Unterschrift finden. Sie fehlte ebenso wie die Absenderadresse auf dem Kuvert, in dem er steckte.
Vor ein paar Tagen entdeckte ich eine bis auf bestimmte Details mehr oder weniger gleiche Geschichte in einem Internetforum. Ein paar Leute vermuteten in ihren Kommentaren dazu, dass die Geschichte zunächst als Wichsmaterial für die Soldaten in Übersee vervielfältigt und seitdem von einer Generation zur anderen, von einem Krieg zum nächsten weitergegeben wurde – und so gelangte sie wohl auch in die Schreibtischschublade des Vaters meiner Freundin und von dort in ihre unschuldigen Hände.
Wenn ich damals schon gewusst hätte, was ich heute weiß, dann hätte ich ihr gesagt, sie solle aufhören, bevor sie am Ende angelangt war. Ich hätte sie abgehalten, bevor sie überhaupt angefangen hätte zu lesen. Leg den Brief dorthin zurück, wo du ihn gefunden hast, zurück in die Schublade. Er gehört uns nicht. Das ist nichts für uns. Wir müssen
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