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Die Juliette Society: Roman (German Edition)

Die Juliette Society: Roman (German Edition)

Titel: Die Juliette Society: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sasha Grey
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sie sei in der Sendung, um die besorgte Mutter zu spielen, die sich nach der Heimkehr ihres verlorenen Sohnes sehnt. Doch in Wahrheit soll sie den Sündenbock abgeben.
    »Ich bin stolz auf meinen Sohn«, sagt Charmaine. Sie scheint vorher ein paar Drinks genommen zu haben, um ihre Nerven zu beruhigen, denn ihre Augen sind leicht glasig und ihre Aussprache etwas unsicher. »Er ist ein Geschäftsmann. Ein Selfmademan. Er ist sehr erfolgreich.«
    »Er ist ein Sexmonster, Charmaine«, sagt Sachs, und das Wort »Sexmonster« geht ihm so geschmeidig von der Zunge, dass man das Gefühl nicht loswird, er habe die ganze Nacht geübt, es mit lässigem Gleichmut, nur einem winzigen Funken von Selbstgerechtigkeit und ohne offensichtliche Häme auszusprechen.
    »Nein«, sagt sie. »Nein.« Als wäre sie selbst nicht so recht überzeugt von ihrem Dementi. Wenn Charmaines Füße jetzt im Bild wären, könnte man sie nervös zucken sehen.
    »Er hat diese Mädchen in den Selbstmord getrieben, Charmaine«, sagt Sachs und schaut, als er das sagt, gleichgültig hinunter auf seine Aufzeichnungen, denn er weiß, dass er so verdammt gut ist, dass er das sogar im Schlaf hinbekäme. Ich frage mich, ob jemand dafür bezahlt wird, seine Texte zu schreiben, oder ob er es selbst macht.
    »Nein«, sagt sie. »Nein.«
    Und das sagt sie diesmal nur, weil sie einfach nicht mehr weiß, was sie sonst sagen soll. Man merkt genau, dass Sachs sowieso nicht wirklich daran interessiert ist, was sie zu sagen hat. Dass ihre Antworten für ihn unwesentlich sind. Bloß leere Sendezeit, während er Luft holt für eine weitere Verleumdungssalve, getarnt als Frage. Denn so steht es schon von vornherein im Skript. Der Zweck der Übung besteht darin, Forrester Sachs wie einen Helden dastehen zu lassen. Der große Mann, der für all die kleinen Leute auf der Welt aufsteht. Er ist ein Nachrichtensprecher mit Messiaskomplex in einem Tom-Ford-Anzug, der alle Benachteiligten der Welt in den Arm nehmen will.
    Doch in Wahrheit bläst er diese Geschichte nur noch weiter auf, macht Bundys Gespielinnen noch im Tod zu Opfern, wie sie schon im Leben zu Opfern gemacht wurden. Ohne Rücksicht auf Verluste wäscht er öffentlich schmutzige Wäsche. Opfert die Protagonisten seiner Story auf dem Altar seiner Eitelkeit. Ich frage mich wirklich, wie er nachts noch schlafen kann.
    »Was möchten Sie Ihrem Sohn sagen, Charmaine?«, fragt Sachs jetzt. »Jetzt, wo Sie wissen, was er getan hat. Jetzt wo Sie wissen, dass Menschen wegen ihm gestorben sind.«
    Jetzt zielt Sachs auf das große Pay-Off ab, er will das Killer-Filmmaterial, das an jede Nachrichtensendung jedes TV-Senders der Welt verkauft werden wird, wo es dann fast rund um die Uhr als zweisekündiger, prägnanter O-Ton-Clip laufen wird, um die Leute heiß auf diese Story zu machen.
    Sie schneiden wieder auf Charmaine, die jetzt direkt in die Kamera schaut, oder zumindest auf das, was sie dafür hält. Sie blickt eher den Kameramann an, spricht mit ihm statt mit der Kamera, sodass es im Fernsehen so wirkt, als starre sie ins Leere, als sei sie nicht ganz bei der Sache, nicht ganz anwesend. Ihre glasigen Augen füllen sich mit Tränen, ihre Lippen zittern, als würde sie gleich losheulen, und sie sagt mit bewegter, gebrochener Stimme:
    »Mami liebt dich, Bundy. Mami liebt dich.«
    Man kann das Grinsen auf Sachs Gesicht fast sehen, denn er weiß, dass er bekommen hat, was er wollte. Und während ich mir das alles ansehe, wird mir klar, dass ich gerade Zeuge einer dieser Tragödien werde, die man immer wieder im Fernsehen zu sehen bekommt, aber niemals damit rechnet, selbst einmal Teil davon zu werden. Flächendeckende Berichterstattung rund um die Uhr, tagein, tagaus. Lebensgeschichten oder Todesfälle, die für einen kurzen Moment im Rausch einer Nachrichtenhalbwertszeit abgefeiert werden. Oder mit Glück sogar drei oder vier Momente lang. Vielleicht ist »gefeiert« nicht ganz das richtige Wort – es müsste wohl eher »fetischisiert« heißen. Und dann sind sie genauso schnell auch schon wieder vergessen, und ihre Protagonisten werden zu nichts als einem weiteren namenlosen, gesichtslosen Opfer einer Tragödie, die man von Anfang an hätte vermeiden können.
    An diesem Punkt beschließe ich, dass auch ich genug davon habe. Ich sagte Jack, er solle umschalten, und er folgt erleichtert meiner Aufforderung. Wir erwischen wieder das Ende desselben Wahlwerbespots für Bob DeVille, und er sagt noch einmal, dass die Leute sein

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