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Die jungen Rebellen

Titel: Die jungen Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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paßt. Schuldig ist offensichtlich jeder, auf den Verdacht fällt.«
    »Das ist übertrieben«, sagt der Einarmige.
    Der Schauspieler hat Schinken bestellt, mit Essiggurken, dazu ein weichgekochtes Ei und Tee mit Zitrone. Sie schauen aneinander vorbei. Bisher hat er sich nicht eingemischt. Behutsam und mit tastenden Bewegungen beider Hände ordnet er seine Perücke und beginnt etwas schmatzend, aber doch mit feierlichen Gesten, zu essen. Den kleinen Löffel nimmt er zärtlich zwischen zwei Finger, schlägt geziert, fast scherzhaft, an die Schale und köpft das Ei, bricht sich mit den Fingerspitzen ein Bröckchen vom Brot und taucht es in das weiche Ei, mit unendlicher Sorgfalt schneidet er den fetten Rand von der Schinkenscheibe und operiert noch eine Sehnenfaser aus dem Fleisch. Er hebt das Messer wie der Dirigent seinen Stab.
    »In der Tat übertrieben«, sagt er mit einer keinen Widerspruch duldenden milden Bestimmtheit, »Lajos hat wieder mal recht! Ist euch schon aufgefallen, daß Lajos in letzter Zeit immer recht hat? Ja, übertrieben, mein Freund«, wendet er sich Ábel zu. »Wir alle kennen deine empfindliche, zarte Seele.«
    Er schiebt sich eine Schinkenscheibe in den Mund.
    »Nimm mir’s nicht übel, aber so etwas kann nur die Jugend behaupten. Im allgemeinen habe ich, wo auch immer ich mich in der Welt aufhielt, festgestellt, daß die Menschen über alles hinwegkommen. Natürlich, sofern sie es überleben.«
    Er beugt sich über das Ei, riecht daran.
    »Du bist eine Philosophenseele, das ist alles. Natürlich ist die Sache unangenehm. Wir alle haben Grund zu glauben, daß unser Freund Ábel die Wahrheit sagt. Ja, einer von euch hat mit gezinkten Karten gespielt. Nicht übel.« Er schnalzt mit der Zunge.
    »Was heißt das? Vielleicht hat er nicht einmal des Geldes wegen gemogelt. Der Mensch weiß ja nie, was er im nächsten Augenblick tut. Peinlich, sehr peinlich. Natürlich war es Vorsatz, denn er hat sich ja darauf vorbereitet, brachte die Karten mit. Vielleicht spielte er aber auch nur mit dem Gedanken. Alles ist Spiel, meine Freunde.«
    Mit legerer Handbewegung berührt er die Karten. Legt Messer und Gabel hin, lehnt sich zurück und sieht sich nachdenklich, mit traumverlorenen Augen um. Die Aufmerksamkeit, die sich auf den Gesichtern spiegelt, überrascht ihn. Das Leben hat ihn gelehrt, daß auf seine Worte wenig geachtet wird, man hört ihm allenfalls spöttisch oder gleichgültig zu. In dieser Gesellschaft aber ist jedes seiner Worte ein Volltreffer.
    Er lächelt zufrieden und überheblich. »Ich denke jetzt nicht an die Enthüllung durch unseren Freund Ábel«, sagt er mit abweisender Geste. »Was sind schon Karten? Was ist Geld? Ich denke an etwas ganz anderes. Als ich dank der liebenswerten Aufmerksamkeit meines Freundes Lajos mit euch zusammenkam … meine jungen, viel jüngeren Freunde …, fragte ich mich nach dem ersten charmanten Eindruck: Was ist zwischen ihnen? Denn es war da etwas zwischen euch. Ich habe ziemlich viel Erfahrung in der Beurteilung menschlicher Beziehungen. Und ich sagte mir: Etwas bindet sie aneinander, etwas, über das sie nicht reden. Aber jeder von ihnen denkt daran. Und einer unter ihnen spielt falsch.«
    Voller Grazie speist er weiter. In seinen Händen wird aus Brot ein Brötchen, aus dem Ei ein Eichen. Alles, selbst den Salzstreuer, nimmt er so in die Hand, als verkehre er mit ihm in Koseform.
    Er spricht leise, aber feierlich und gefühlsbetont. Schließt dabei die Augen, als horche er tief in sich hinein. Aus dem Nachbarraum ist die Stimme von Havas zu hören, dazu das Aufklatschen der Karten. Eine Frau mit Eimer und Wischlappen geht durchs Lokal. Der Kellner sitzt neben den Billardtischen im Halbdunkel wie ein Mönch in der Dämmerung am Fenster seiner Zelle. Lajos läßt mit lebhaftem und lächelndem Interesse seine Augen umherwandern.
    »Eigentlich ist es ziemlich egal, daß derjenige nun auch noch beim Kartenspiel gemogelt hat«, fährt der Schauspieler fort. »Er, den wir nicht kennen und über den ich auch nicht mutmaßen möchte, denn ihr seid mir alle vier gleich lieb … er ist euer Judas, er hintergeht euch schon lange, betrügt euch mit jedem seiner Worte, mit jedem Blick. Beim Kartenspiel hat er nur deshalb gemogelt, weil er sein Werk damit gewissermaßen krönen wollte. Ihm ging es darum, das Gefühl, euch zu betrügen, auch praktisch auszukosten. Die Deutschen pflegen zu sagen: Schwamm drüber. Ein sehr treffender Ausdruck. Quält euch nicht, meine

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