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Die jungen Rebellen

Titel: Die jungen Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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riesige Körper haftet hartnäckig am Stuhl. Er sagt, daß er gratuliere und daß die Kameraden schon hier seien, strahlt in zerstreuter Freude, die ihn zu seinen Karten zurückzieht. Sagt noch einmal »Bank« an. Hier hinten in den Kartenzimmern ist die Luft verbrauchter als vorn in den größeren Räumlichkeiten des Kaffeehauses. Wahrscheinlich weil sich die Kartenspieler in den langen Stunden und in der Aufregung des Spiels gelegentlich vergessen, vielleicht auch deshalb, weil diese Nischen nur schwer zu lüften sind; zudem transpirieren die Spieler stark. Sie werfen die Zigarrenstummel auf den Boden. Manche spucken darauf, und dann füllen die prasselnd erlöschenden Stummel auch die Fußregion des Kaffeehauses mit würgendem Qualm. Die Clique sitzt in einem kleineren Abteil, wie früher, als der öffentliche Kaffeehausbesuch für sie noch verboten war. Der Schauspieler nimmt gleich am oberen Ende des Tisches Platz. Ábel läßt sich neben Ernő nieder.
    »Jemand hat falschgespielt«, sagt er ruhig. Er holt die Karten hervor und legt sie auf den Tisch. Eine große Ruhe breitet sich in ihm aus.
    »Ich möchte damit nicht warten«, sagt er und staunt selbst, wie ruhig seine Stimme klingt. »Auf dem Weg hierher wußte ich noch nicht, was ich tun würde, nicht einmal, ob ich es euch sagen sollte. Aber jetzt ist es gesagt. Ich weiß natürlich nicht, ob der Betreffende schon länger gemogelt hat oder vielleicht heute zum ersten Mal. Er hatte zwei Asse bei sich, das Herz- und das Eichel-As, und zwei Zehner, die grüne und die Schellen-Zehn. Während wir überlegten, tranken, nahm er sich für Ohne-As eine Zehn oder stellte sich mit den drei Karten seine Zehn zusammen und nahm nichts mehr, sondern mogelte ein As dazu. Seht euch die Karten an, die Rückseiten sind genauso wie bei den Karten, mit denen wir gespielt haben. Man kann überhaupt nicht auseinanderhalten, welche unsere und welche die Karten des Falschspielers sind.«
    Ernő hebt den Kopf, nimmt den Kneifer ab und zieht die Augenbrauen zusammen. Béla zwängt sich das Monokel, das er heute erstmals in der Öffentlichkeit trägt, in sein aufgedunsenes, bleiches, pickeliges Gesicht. Tibor öffnet leicht die Lippen und beißt die Zähne zusammen.
    »Kommt sofort zu mir nach Hause!« sagt Béla. »Sofort. Durchsucht meine Schubladen, Schränke, die Bücher, alle meine Taschen, ihr könnt auch das Futter heraustrennen, alles. Durchsucht die ganze Wohnung. Und was die Leibesvisitation angeht, die kann sofort erfolgen, an Ort und Stelle.«
    »Du bist ein Esel«, sagt Tibor. »Setz dich hin.«
    Tibors Röte vergeht. Er wirkt jetzt sehr blaß. Die Stirn unter dem blonden Haar ist weiß wie die gekalkte Wand, seine Lippen beben.
    »Du bist wirklich ein Esel«, setzt Ábel fort. »Es geht doch nicht darum, dich zu durchsuchen. Niemanden kann man einer Visitation unterziehen, nicht dich, nicht mich, auch nicht Ernő oder Tibor. Lajos hat nur gekiebitzt. Hier habt ihr die Beweise. Zwei Asse, zweimal eine Zehn. Jemand hat Karten mitgebracht, in der Tasche oder in seiner Manschette. Einer unter uns ist also ein Falschspieler.«
    »Sprich leiser«, sagt der Einarmige.
    Sie rücken enger zusammen. »Das Schlimme daran ist«, fährt Ábel leise fort, »daß wir nie erfahren werden, wer es war. Verstehst du? Nie. Wir könnten jetzt jeden von uns durchsuchen, aber wir sind alle gleich verdächtig und gleich unschuldig. Von Geld ist nicht die Rede. Übrigens, wer hat heute nachmittag gewonnen?«
    Sie rechnen nach. Béla und Ernő haben in etwa gleich viel gewonnen. Béla spielte leichtsinnig, Ernő vorsichtig. Ábel und Tibor haben verloren. »Auch der Verlierer kann gemogelt haben«, sagt Ábel. »Vielleicht spielte er falsch, weil er verloren hat. Jeder ist gleich verdächtig. Ich bin genauso verdächtig, wenn ihr wollt. Gut, ich habe den Schwindel bemerkt, aber es könnte ja sein, daß es mir Spaßmacht, so mit der Gefahr zu spielen. Vielleicht habe ich betrogen und komme jetzt mit meinen Verdächtigungen hierher, um mich daran zu ergötzen, wie ihr euch alle empört und quält. Deshalb sage ich, die Durchsuchung wäre ein Blödsinn. Wir sind alle gleich verdächtig.«
    »Jeder ist verdächtig«, sagt der Einarmige glücklich und grinst.
    Niemand achtet auf ihn. Ábel starrt ins Leere. Ein leidender Zug erscheint auf seinem Gesicht. »Also, vielleicht war es doch nicht ich, der gemogelt hat«, sagt er langsam und sinnend. »Eigenartig ist nur, daß der Verdacht auf uns alle

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