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Die jungen Rebellen

Titel: Die jungen Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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war auch Béla mit dieser Praxis vertraut. Tibor konnte sich dank seines feinen Gespürs der Truppe
    rasch anpassen. Sofern ihre Spiele und Vorhaben überhaupt Regeln unterlagen –aufgestellt haben sie nie welche –, gingen sie doch nur so weit, daß alle Initiativen uneigennützig bleiben mußten. Ernő bezeichnete das als »Selbstzweck«. Béla klaute und kaufte vom gestohlenen Geld unbrauchbare Dinge, Kleider, die er nicht tragen konnte, physikalische Instrumente, von deren Handhabung er nichts verstand.
    Einmal kam auch die Idee zur Sprache, daß man für die Clique Uniformen schneidern lassen könnte, die nur zu Hause zu tragen wären; doch der Einfall wurde verworfen. Bei anderer Gelegenheit einigte man sich mit Begeisterung darauf, bei einem Vorstadtschneider Kleidungsstücke in Auftrag zu geben, die kein Mitglied der Clique je tragen könnte, zu weite oder lächerlich enge Hosen, Röcke aus den ausgefallensten Materialien. Die Anschrift des Schneiders hatte Ernő eines Tages mitgebracht. Nacheinander suchten sie den Herrenschneider auf. Tibor bestellte sich einen Frack aus weißem Segeltuch mit gelbem Futter. Ernő entschied sich für einen sehr weiten Pepitaanzug, in den er zweimal gepaßt hätte, die Hose wurde an den Knöcheln durch einen Gummizug zusammengehalten. Ábel ließ sich einen Cutaway machen, der ihm bis an die Fersen reichte, und dazu eine hellgraue Hose. Der Einarmige gab einen zweiteiligen Anzug in Auftrag, an dem die Ärmel fehlten, die Jacke spannte sich ohne Armausschnitte eng um seine Schultern.
    Béla ließ sich einfach einen Reitdreßschneidern, einen roten Frack, dazu eine schwarze Hose. Er besorgte auch Sporen und Zylinder. Bei den Anproben achteten sie kleinlich, fast ängstlich, auf jeden Zentimeter. Ábel maß mit der Elle nach, ob die bis an die Fersen reichenden Schöße des Cutaway auch die gewünschte Länge hatten. Der Schneider glaubte ihnen, daß sie sich für den Fasching rüsteten. Er lieferte ihnen alle Teile ihrer Garderobe gleichzeitig. Der Tag, an dem sie sich zum ersten Mal verkleideten, trug das Datum des Friedensschlusses von Brest-Litowsk.
     
    ~
     
    Das Schöne an der Freundschaft ist die Uneigennützigkeit. Von Zeit zu Zeit machten sie Inventur und teilten die Gegenstände untereinander auf.
    Béla schenkte Ernő mit freundschaftlichem Lächeln die Doppelflinte und ein Paar Sporen. Ernő revanchierte sich mit drei Platten Sohlenleder aus der Werkstatt des Vaters und einer Porzellanjungfrau mit Kind.
    Als nun die Tauschgeschäfte angelaufen waren, konnten auch die Partner nicht zurückstehen. Ábel stahl zunächst Bücher aus der väterlichen Bibliothek, den zweiten Band von Jókais Roman »Der Mann mit dem steinernen Herzen« oder »Das Leben der Heiligen«. Die Bücher wurden mit nur mäßiger Anerkennung quittiert. Nachdem Tibor dem Obersten das Taschenmesser mit dem Horngriff entwendet hatte, erbot sich Ábel im ersten Überschwang, der Clique das Vermögen der Tante zu liefern. Das Angebot wurde mit aller Zurückhaltung erwogen. Der Begriff »Vermögen« beeindruckte sie tief; in ihrer Vorstellung verbanden sich damit ganze Bündel von Banknoten, Sparbücher und Edelsteine. Schließlich willigten sie ein, daß Ábel das Vermögen für einen Nachmittag herbeischaffen solle. An diesem Nachmittag legten sie alle ihre Kostüme an, und so wurde der Inhalt der von Ábel pünktlich gelieferten Blechbüchse untersucht, die bereits verfallenen Lotterielose, Pfandscheine und wertlosen alten Banknoten geprüft. Über alles wurde sorgfältig Protokoll geführt. Schließlich stellte Ábel die Dose unbemerkt wieder in ihr ursprüngliches Versteck.
    Jeder trug, entsprechend seinen Möglichkeiten, etwas zum gemeinsamen Warendepot bei. Als Grundprinzip galt, daß die Beschaffung eines Gegenstands möglichst gefährlich sein mußte; sein Wert war dagegen zweitrangig. Als geradezu bravourös galt es, einen Band mit dem Institutsstempel aus der Schulbibliothek zu klauen, den Stempel zu überkleben und die solcherart präparierte Ware dem Hehler der Studentenschaft, einem Antiquar, zu verkaufen. Dieses Unterfangen war mit erheblichen Gefahren verbunden, denn für ein aus dem Gymnasium gestohlenes und für Geld veräußertes Buch wurde man der Schule verwiesen, zudem konnte die Sache noch ein gerichtliches Nachspiel haben. Dieses Risiko nahm Ernő auf sich, und er brachte das Husarenstück auch erfolgreich zu Ende. Angeblich mußte er bei dem Geschäft den Antiquar

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