Die Jungfernbraut
aufhängen und dafür sorgen, daß es immer an seinem Platz hängen bleibt.« »Ich verspreche es dir. Bitte komm wieder, wann immer du willst.«
»Ich wußte, daß du keine Angst vor mir hast. Gut, daß du jetzt hier bist.«
Sinjun fiel in tiefen heilenden Schlaf, und als sie spät am nächsten Morgen erwachte, setzte sie sich im Bett auf und streckte die Glieder. Sie fühlte sich großartig.
KAPITEL 15
Philpot öffnete die Haustür und riß den Mund auf. Zwei elegante Damen standen auf der Freitreppe, und auf der Auffahrt stand eine Reisekutsche mit erhabenem Wappen, angespannt mit zwei prächtigen Rotbraunen, die schnaubten und mit den Hufen scharrten.
Der Kutscher hatte seine Peitsche auf dem Schoß und pfiff vor sich hin, während er Philpot mit unverhohlenem Mißtrauen musterte. Zwei Vorreiter ließen die Damen nicht aus den Augen. Verdammte Engländer, dachte Philpot, Inselganoven, alle miteinander!
Die beiden Damen trugen Reisekleidung von allerbester Qualität — Philpot war zwar der Sohn eines Bäckers aus Dundee, aber er hatte ein gutes Auge für Güteklassen —, allerdings etwas staubig und zerknittert. Die kleinere hatte einen Schmutzfleck auf der Nase, trug ein graues Kostüm mit Goldlitzen auf den Schultern und hatte rote Haare, die aber doch nicht richtig rot waren, eher dunkelrot, aber so dunkel auch wieder nicht... Er schüttelte den Kopf. Die andere Dame war genauso hübsch, in ihrem dunkelgrünen Reisekostüm mit passendem Hütchen auf dem kastanienbraunen Haar; ein dicker Zopf, normalerweise bestimmt korrekt um den Kopf gewunden, fiel ihr jetzt über die Schulter. Sie hatten unübersehbar eine weite Reise hinter sich, und sie schienen es dabei sehr eilig gehabt zu haben.
Die Dame mit dem roten und doch nicht richtig roten Haar trat näher und fragte mit strahlendem Lächeln: »Ist dies Vere Castle, Stammsitz des Grafen von Ashburnham?«
»Jawohl, Mylady. Dürfte ich fragen, wer Sie . . .«
Ein Schrei hinter ihm ließ Philpot erbleichen. Du lieber Himmel, war die Gräfin ohnmächtig geworden? Er drehte sich so schnell um, wie sein Alter und seine Würde es erlaubten, und sah, daß sie an einer elisabethanischen Rüstung lehnte und die beiden Damen völlig fassungslos anstarrte.
»Alex? Sophie? Seid ihr es wirklich?«
Die Dame in Grün stürzte an Philpot vorbei. »Geht es dir gut, Sinjun? O bitte, meine Liebe, sag schnell — geht es dir gut? Wir haben uns so schreckliche Sorgen um dich gemacht.«
»Es geht mir schon wieder viel besser, Sophie. Aber warum seid ihr hier? Sind Douglas und Ryder noch draußen? Warum . . .«
»Du warst krank!« Nun stürzte auch die rothaarige Dame an Philpot vorbei. »Ich hab's gewußt! Aber jetzt sind Sophie und ich hier, und wir werden uns um dich kümmern. Du brauchst dir um nichts mehr Sorgen zu machen, Sinjun.«
Die beiden Damen umarmten und küßten die kranke Gräfin, tätschelten ihr die blassen Wangen und riefen ein ums andere Mal, wie sehr sie sie vermißt hatten.
Nachdem die erste Aufregung sich gelegt hatte, stellte Sinjun dem Butler ihre Schwägerinnen vor und fragte: »Wissen Sie, wo der Herr ist?«
»Sie hätten das Bett nicht verlassen sollen, Mylady«, sagte er vorwurfsvoll.
»Bitte nicht schimpfen, Philpot. Ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten im Bett. Aber jetzt fühle ich mich wirklich etwas wackelig auf den Beinen und werde mich hinsetzen. Bitte kümmern Sie sich darum, daß jemand meinem Mann ausrichtet, meine Schwägerinnen seien zu Besuch gekommen. Alex und Sophie, kommt mit in den Salon.«
Sinjun wollte vorausgehen, taumelte aber plötzlich. Philpot sprang hinzu, aber die beiden Damen waren schneller. Mit vereinten Kräften wurde Sinjun in den Salon gebracht, mehr getragen als gestützt, und auf ein Sofa gebettet, mit einem Kissen unter dem Kopf und einem zweiten unter den Füßen.
»Ist dir warm genug, Liebes?«
»O ja, Alex, mir geht es ausgezeichnet, aber ich genieße eure Fürsorge sehr. Es ist einfach herrlich, daß ihr hier seid. Ich kann es noch immer nicht glauben. Warum seid ihr gekommen?«
Alex wechselte einen Blick mit Sophie und erklärte ohne Umschweife: »Die Jungfräuliche Braut hat uns geschickt. Sie sagte, du seist krank.«
»Und Douglas und Ryder?«
Sophie zuckte die Achseln und sah nicht im geringsten schuldbewußt aus. »Douglas hält sich zum Glück in London auf, und deshalb war es für Alex kinderleicht, Northcliffe Hall mit den Zwillingen zu verlassen, um mir einen Besuch abzustatten.
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