Die Jungfernbraut
Gesicht und den vom Wind zerzausten schwarzen Haaren sah er tatsächlich ziemlich wild und verwegen aus, und es entging Sophie auch nicht, daß Sinjun ihren Mann völlig hingerissen anstarrte.
Erst jetzt fiel Colin auf, wie blaß seine Frau war, und seine Miene verdüsterte sich. Er eilte auf das Sofa zu und legte ihr eine Hand auf die Stirn. »Kein Fieber, gottlob! Wie geht es dir? Warum bist du hier unten? Philpot hat mir als allererstes ganz besorgt berichtet, daß du dich kaum auf den Beinen halten konntest. Willkommen, meine Damen. Also, Joan, was zum Teufel tust du hier unten?«
»Ich habe es im Bett einfach nicht mehr ausgehalten.« Sinjun strich ihm mit der Hand zärtlich über das Kinn. »Es geht mir wirklich viel besser, Colin. Dies sind meine Schwägerinnen, aber Alex kennst du ja schon. Und das ist Sophie, Ryders Frau.«
Colin lächelte charmant, war aber noch immer auf der Hut. »Es ist mir ein Vergnügen, meine Damen. Aber wo sind denn die Herren Gemahle abgeblieben?«
»Sie kommen bestimmt irgendwann nach«, sagte Sinjun, »aber ich hoffe, daß es noch ein Weilchen dauern wird. Alex und Sophie sind nämlich schlau.«
»Hoffentlich schlauer als du.« An die Damen gewandt erklärte er: »Als wir in meinem Edinburgher Haus ankamen, warteten Douglas und Ryder dort schon auf uns, fest entschlossen, mich umzubringen. Nur die Donnerbüchse meines Dieners hat uns gerettet.«
»Und ein großes schwarzes Loch in die Salondecke gerissen«, fügte Sinjun hinzu.
»So ist es. Übrigens bin ich noch nicht dazu gekommen, es reparieren zu lassen.«
Alex schien sehr interessiert. »Seltsam, daß Douglas nichts davon erwähnt hat. Er hat mir von deinem Edinburgher Haus erzählt, Colin, aber von gewalttätigen Auseinandersetzungen war nicht die Rede. Und wann haben sie dich dann noch einmal angegriffen?« Sie hätte schwören können, daß Colin errötete, und ihre Neugier wuchs ins Unermeßliche, um so mehr, als sie sah, daß Sinjun einen hochroten Kopf bekam.
»Colin, die Jungfräuliche Braut hat sie hergeschickt«, lenkte Sinjun hastig ab.
»Ist das nicht das Gespenst von Northcliffe Hall, von dem du den Kindern erzählt hast?«
»Welchen Kindern?« rief Alex verständnislos.
Colin errötete wieder, während er hastig nach einer Teetasse griff, und rutschte nervös auf seinem Stuhl herum.
»Ich habe zwei wunderbare Kinder«, berichtete Sinjun schmunzelnd, »Philip und Dahling. Sie sind vier und sechs Jahre alt und werden sich ausgezeichnet mit unseren anderen Rangen verstehen. Ich habe Colin schon von Ryders Lieblingen erzählt.«
»Du hast in deinen Briefen aber nichts von Kindern erwähnt«, sagte Sophie vorwurfsvoll.
»Äh ... nein, weißt du ...« Sie verschob eine Erklärung auf später. »Colin, die Jungfräuliche Braut hat Alex besucht und ihr erzählt, ich sei krank. Und weil Alex und Sophie sich Sorgen um mich machten, sind sie so schnell wie möglich hergekommen.«
Alex ließ sich für den Augenblick bereitwillig vom Thema abbringen. Die faszinierenden Geheimnisse würde sie noch früh genug lüften. »Sie hat gesagt, du seist nicht nur krank, sondern auch in Nöten.«
»O Gott«, murmelte Sinjun. Ihr fiel auf, daß Colin aufrichtig verwirrt zu sein schien. Douglas hätte jetzt höhnische Bemerkungen über hirnverbrannten Blödsinn gemacht, und Ryder hätte schallend gelacht.
»Von irgendwelchen besonderen Nöten meiner Frau ist mir nichts bekannt«, behauptete Colin. »Es gibt kleinere Schwierigkeiten, aber mit denen werde ich ohne weiteres allein fertig. Was zum Teufel geht hier eigentlich vor? Ich will jetzt die Wahrheit wissen, die ganze Wahrheit.«
»Wir sind zu Besuch gekommen, weiter nichts.« Alex schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Und wir werden uns um alles kümmern, bis Sinjun wieder gesund und kräftig ist. Stimmt's, Sophie?«
»So ist es«, bestätigte Sophie, die das zweite Stück Kuchen auf dem Teller hatte. »Weißt du, Colin, wir beide haben verschiedene hausfrauliche Talente, und deshalb werden wir beide hier gebraucht, damit alles reibungslos läuft. Der Tee ist übrigens hervorragend, Sinjun.«
Colin starrte sie mit gerunzelter Stirn an. »Joan hat wirklich Glück mit ihren Verwandten«, sagte er langsam.
»Joan?« Wo hast du denn diesen Namen her?«
»Ihr Spitzname gefällt mir nicht.«
»Oh, aber . . .«
»Mir macht es wirklich nichts aus«, sagte Sinjun und fuhr hastig fort: »Danke, daß ihr beide gekommen seid. Ich freue mich riesig.« Und ohne zu
Weitere Kostenlose Bücher