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Die Jungfernbraut

Titel: Die Jungfernbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Fieber mehr, und auch die Schmerzen in sei-nem Oberschenkel hatten nachgelassen. Natürlich war es töricht von ihm gewesen, nicht sofort einen Arzt aufzusuchen, aber er hatte es bisher nie getan. Sogar Dr. Childress, seit über dreißig Jahren Hausarzt der Familie Kinross, hatte ihn nur bei einigen Kinderkrankheiten behandelt.
    Er war jung, stark und kerngesund. Daß eine kleine Stichwunde ihn an den Rand des Todes bringen könnte, hätte er nie für möglich gehalten.
    Mit halb geöffneten Augen beobachtete er, wie Joan das Zimmer betrat. Er war hungrig und mürrisch und wollte sie nicht um sich haben. Was er brauchte, war die Hilfe eines Mannes.
    »Ah, du bist wach!« Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Wie geht es dir?«
    Er knurrte nur.
    »Soll ich dich vielleicht rasieren? Einmal habe ich Tyson rasiert, während Ryder ihn festgehalten hat. Das ist zehn Jahre her, aber ich könnte es versuchen, und ich wäre sehr vorsichtig.«
    »Nein.«
    »Weißt du, was komisch ist, Colin? Unten ist ein Mann, der behauptet, dein Cousin zu sein.«
    Er setzte sich abrupt im Bett auf und starrte sie verwundert an. Ein Cousin? Keiner seiner Cousins wußte, daß er hier war.
    Doch — McDuff.
    »Das ist unmöglich«, murmelte er und ließ sich wieder in die Kissen fallen, ohne aber die Decke hochzuziehen. Sinjun schluckte. Er war so schön, so muskulös, und die dichten schwarzen Haare auf seiner Brust waren so verführerisch! Zur Taille hin wurden sie dünner, und dann verschwanden sie unter der Decke. Er war viel zu mager, sie konnte seine Rippen sehen, aber das würde sich bald ändern.
    »Du mußt dich warmhalten«, sagte sie und deckte ihn bis zu den Schultern zu, obwohl sie die Decke viel lieber ganz weggezogen und ihn mindestens sechs Stunden lang betrachtet hätte.
    »Joan, ist das wirklich kein Scherz? MacDuff ist hier?«
    Sie blinzelte. »MacDuff? Er hat mir seinen Namen nicht genannt, nur gesagt, daß er dein Lieblingsvetter sei. MacDuff wie bei Shakespeare?«
    »Ja. Als Jungen nannten wir ihn MacCud . . .«
    »Heißt >Cud< auf schottisch nicht >Esel    Er grinste. »So ist es. Sein richtiger Name ist Francis Little, aber jemand, der so groß und breit ist wie er, kann doch unmöglich >klein< heißen. Deshalb haben wir ihn schließlich MacDuff getauft. Er drohte nämlich, uns alle zu Brei zu schlagen, wenn wir nicht statt McCud wenigstens McDuff sagten.«
    »Zweifellos paßt das besser zu ihm als Francis Little, was sich bei einem Mann seiner Statur wirklich absurd anhört. Mein Gott, sein Brustkorb erinnert an einen massiven Baumstamm. MacDuff! Weißt du, er hat ganz rote Haare, aber keine Sommersprossen. Und seine Augen sind so blau wie ein Sommerhimmel.«
    »Seine Augen haben genau die gleiche Farbe wie deine. Und jetzt hör auf, von diesem verdammten Riesen zu schwärmen. Bring ihn lieber rauf.«
    »Nein«, widersprach Sinjun energisch. »Vorher mußt du frühstücken. Ah, da ist ja auch Finkle. Er wird dir bei gewissen Verrichtungen behilflich sein. Ich komme in einigen Minuten zurück und helfe dir beim Essen.«
    »Ich brauche deine Hilfe nicht.«
    »Natürlich nicht, aber du freust dich doch über meine Gesellschaft, oder?«
    Sie lächelte ihm zu, küßte ihn und tänzelte aus dem Zimmer. Auf der Schwelle drehte sie sich noch einmal um. »Möchtest du mich morgen heiraten?«
    Er warf ihr einen eher irritierten als schockierten Blick zu. »Dann hättest du eine denkwürdige Hochzeitsnacht. Ich würde völlig schwach neben dir liegen,, ohne dich auch nur anzurühren.«
    »Das würde mir nichts ausmachen. Wir haben noch das ganze Leben vor uns.«
    »Ich weigere mich, dich zu heiraten, bevor ich mit dir ins Bett gehen kann.« Es war eine törichte Bemerkung, das wußte er, denn eigentlich hätte er sie noch in dieser Stunde heiraten müssen. Die Zeit wurde allmählich knapp. Er brauchte verzweifelt ihr Geld.
    Sinjun lehnte sich zurück und beobachtete die beiden Vettern, die sich so leise unterhielten, daß sie nichts verstehen konnte. Erstaunlicherweise hatte sie aber auch gar nicht den Wunsch zu horchen, obwohl sie es darin im Laufe der Jahre zu wahrer Meisterschaft gebracht hatte. Bei drei älteren Brüdern hatte sie schon sehr früh gelernt, daß sich ein Großteil der ihr vorenthaltenen Informationen am besten durchs Schlüsselloch erfahren ließ. Jetzt aber blickte sie entspannt aus dem Fenster auf den umzäunten Garten hinab. Es war ein kühler Tag, aber der Himmel war klar und blau, und die Blumen

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