Die Jungfernbraut
einem einmal gefaßten Entschluß festhalten, ob er nun gut oder schlecht ist.« »Mein Entschluß ist richtig.«
»Er ist einfach lächerlich.«
»Eine Frau sollte nicht so respektlos zu ihrem Mann sein.«
»Du bist aber noch nicht mein Mann! Du bist zweifellos der störrischste, der sturste . . .«
»Du kannst dich hinter dem Paravent dort in der Ecke ausziehen.«
Als sie nebeneinander in dem riesigen Bett lagen und Sinjun zu den dunklen Bettvorhängen emporstarrte, die moderig rochen, sagte Colin unerwartet: »Ich mag deine Brüder. Sie sind Ehrenmänner, und ich könnte mir keine besseren Freunde vorstellen. Daß sie bald meine Schwager sein werden, freut mich wirklich.«
»Nett von dir, das zu sagen.«
»Schmoll nicht, Joan.«
»Ich schmolle nicht. Mir ist kalt. Dieses schreckliche Zimmer ist feucht.«
Colin war nicht kalt, aber er fror überhaupt selten. Er wußte genau, daß es mit seiner Beherrschung vorbei wäre, wenn er sie jetzt in die Arme nähme, und er wollte auf keinen Fall seinen Schwur brechen, am allerwenigsten jetzt, da ihre Brüder unter seinem Dach weilten und ihn an seine Perfidie erinnerten.
Er griff nach seinem Morgenrock, den er ans Fußende des Bettes gelegt hatte. »Hier, zieh das an, dann wird dir warm.«
»Ich bin ganz überwältigt von deiner Großzügigkeit und Vernunft.«
»Schlaf jetzt.«
»Selbstverständlich, Mylord. Wie Sie wünschen, wie Sie befehlen, wie . . .«
Er begann zu schnarchen.
»Ich frage mich, warum Douglas nicht darauf bestanden hat, unsere Heiratsurkunden zu sehen. Er ist sonst immer so gründlich.«
»Vielleicht fällt es ihm noch ein. Sollen wir morgen heiraten, während deine Brüder im Schloß sind? Douglas hat einen Freund, der dort als Major stationiert ist, und er möchte ihn mit Ryder bekannt machen.«
»Das wäre großartig«, sagte Sinjun. »Colin?«
»Ja?«
»Würdest du wenigstens meine Hand halten?«
Ihre Finger waren sehr warm, wie er schmunzelnd feststellte. Von Erfrieren konnte wohl kaum die Rede sein, aber dieses raffinierte Persönchen versuchte eben, mit allen Mitteln ans Ziel zu kommen. »Ich hoffe, daß mein Morgenrock zu deinem Wohlbefinden beiträgt.«
»O ja, er ist weich und riecht nach dir.«
Er schwieg.
»Wenn ich ihn anhabe, kann ich mir wenigstens vorstellen, daß du mich überall berührst.«
Am nächsten Morgen um zehn wurden Colin und Sinjun von einem presbyterianischen Geistlichen getraut, der mit Colins Onkel Teddy befreundet gewesen war — allerdings nicht mit seinem Vater, wie Colin betonte, weil dieser ein liederlicher Kerl gewesen sei. Reverend MacCauley, ein alter Herr mit prächtiger weißer Haarmähne, war zum Glück kein Umstandskrämer, und so dauerte die Zeremonie nicht lange. Sie verließen das Pfarrhaus als Lord und Lady Ashburnham, und Sinjun machte einen kleinen Freudensprung. »So, das wäre endlich geschafft. Soll ich meine Brüder jetzt selbst fragen, ob sie unsere Heiratsurkunden sehen wollen?«
»Nein. Bleib stehen, damit ich dich küssen kann.«
Sie wurde seltsam still. »Aha«, sagte er, während er sanft ihr Kinn anhob, »jetzt bist du nicht mehr so wild darauf, mit mir zu schlafen, stimmt's? Du hast das alles nur gespielt. Aber warum?« Es fiel ihm nicht schwer, darauf selbst eine Antwort zu finden. »Ich verstehe . . . Du hattest sogar letzte Nacht noch Angst, daß Douglas und Ryder irgendwie herausfinden könnten, daß wir noch nicht verheiratet waren. Du wolltest mich beschützen, nicht wahr? Du wolltest unbedingt, daß ich deine Mitgift bekomme.«
»Nicht nur«, murmelte sie. »Ich könnte dich bis in alle Ewigkeit betrachten, wenn du nackt bist. Sogar deine Füße sind schön.«
»Du verblüffst mich immer wieder, Joan, und manchmal gefällt es mir sogar. Aber einen nackten Mann anzusehen und mit ihm zu schlafen ist nicht dasselbe. Was wirst du machen, wenn du nackt auf dem Rücken liegst und ich mich anschicke, dir die Jungfernschaft zu rauben?«
»Das weiß ich nicht. Wahrscheinlich werde ich die Augen schließen. Es hört sich ein bißchen beunruhigend an, aber nicht abstoßend, zumindest nicht mit dir.«
Er grinste. »Am liebsten würde ich sofort zur Tat schreiten, aber Douglas wäre vermutlich nicht gerade begeistert, wenn ich dich einfach über die Schulter werfen und ins Schlafzimmer tragen würde. Aber heute abend, Joan. Heute abend.«
»Ja.« Sie stellte sich mit leicht geöffneten Lippen auf die Zehenspitzen, aber er begnügte sich mit einem flüchtigen Kuß, so
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