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Die Jungfernbraut

Titel: Die Jungfernbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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zur Tür hinaus. Er fluchte auch auf dem ganzen Weg zu den Stallungen. Sein Hengst Gulliver war müde, und so nahm er Old Cumber, ein sanftes altes Pferd, das mehr Fehden miterlebt hatte als die meisten Menschen, die hier lebten.
    »In welche Richtung ist sie geritten?«
    »Auf die Westseite des Sees.«
    Er fand keine Spur von ihr. Zwei Stunden lang suchte er sie, zuerst fluchend, dann immer besorgter, daß einer der MacPhersons sie entführt haben könnte. Er schwitzte vor Angst, als er bei Sonnenuntergang zum Schloß zurückkehrte. Die Stute stand im Stall und kaute zufrieden Heu.
    Murdock wich dem Blick seines Herrn aus, während er achselzuckend berichtete: »Sie is vor 'ner guten Stunde wiedergekommen, Mylord. Is'n bißchen still gewesen, aber sonst hat ihr nix gefehlt.«
    »Aha«, knurrte Colin und schlug sich mit der Reitpeitsche wütend gegen die Stiefel.
    Es überraschte ihn nicht, daß das Schlafzimmer genauso sauber war wie das übrige Haus, und er mußte sich widerwillig eingestehen, daß es zwar immer noch dunkel, aber lange nicht mehr so düster war wie früher. Als er, frisch gebadet und in korrekter Abendgarderobe, den Salon betrat, war er fest entschlossen, den Mund zu halten, um in Anwesenheit der ganzen Familie weitere Szenen zu vermeiden.
    Joan stand am Kamin, ein Glas Sherry in der Hand, und er sah, daß sie sich nicht umgezogen hatte. Tante Arleth ließ sich über irgend etwas aus, Serena saß auf einem kleinen Sofa und blickte verträumt vor sich hin, und die Kinder saßen nebeneinander auf einem breiten Sessel, während Dulcie wie ein Wachposten hinter ihnen stand.
    Sinjun blickte auf, als er den Raum betrat. Verdammt, mußte dieser dumme Kerl so phantastisch aussehen? Wie konnte er nur so blind sein und nicht begreifen, daß sie keineswegs seinen Platz beanspruchte, sondern nur einen Platz an seiner Seite, daß sie mit ihm arbeiten und lachen, ihn küssen und liebkosen wollte?
    »Guten Abend«, sagte Colin.
    »Papa, sie hat gesagt, daß wir ohne Abendessen ins Bett müßten, aber weil du hier bist, mußte sie nachgeben.«
    Dulcie schnappte nach Luft und packte Dahling am Arm. »Du bist ein bösartiges kleines Biest, Dahling Kinross!«
    »Ich würde sagen, eine richtige Hexe«, fügte Colin hinzu.
    Sinjun lächelte ihre Stieftochter an. »Diesmal hast du ein bißchen übertrieben, Dahling, aber immerhin war es einen Versuch wert. Ich werde dir Schauspielunterricht geben. Man darf nie übertreiben, das ist eine Grundregel des Theaters.«
    »Ich stünde gern auf den Brettern, die die Welt bedeuten«, sagte Serena. »So sagt ihr Engländer doch, nicht wahr, Joan?«
    »Stimmt genau. Du hast schon einen so anmutigen Gang, als würdest du schweben, und ich bin überzeugt davon, daß alles andere dir ebenfalls leichtfiele.«
    »Das ist doch alles Humbug!« zischte Tante Arleth. »Was wirst du jetzt tun, Colin? Hast du schon irgendwelche Anordnungen getroffen?«
    »O ja, Tante Arleth — ich werde jetzt gemütlich zu Abend essen. Ah, da ist ja auch Philpot, der uns bestimmt melden will, daß angerichtet ist. Komm, Joan, reich mir den Arm!«
    Sinjun hatte dazu eigentlich keine Lust, aber in Gegenwart der lieben Verwandtschaft blieb ihr keine andere Wahl. Sie bereitete sich auf einen neuen Kampf vor, als er ihr die Hand tätschelte, aber er flüsterte ihr zu: »Nein, meine Liebe, nicht hier. Was ich in Zukunft von dir erwarte, werde ich dir später sagen, hinter verschlossener Tür im Schlafzimmer — im ungewöhnlich sauberen Schlafzimmer des Schloßherrn.«

KAPITEL 12
    Colin hielt sein Wort. Er schob Sinjun ins Schlafzimmer und verschloß die Tür. Während er den Schlüssel in die Westentasche schob, ließ er sie nicht aus den Augen. Sie blieb mitten im Raum stehen und rieb sich die Arme.
    »Soll ich Feuer im Kamin anzünden?«
    Sie schüttelte den Kopf. .
    »Es wäre aber vielleicht gar keine schlechte Idee. Schließlich wirst du bald nackt sein, und ich will nicht, daß du vor Kälte zitterst. Nur vor Lust.«
    Das also sind die Strafmaßnahmen eines Mannes, dachte sie. Er behielte natürlich die Oberhand, dafür sorgten schon seine Größe und Statur, und er sah grimmig und verärgert aus. Beim Abendessen hatte sie nichts getan, was diesen Ärger hervorgehoben haben konnte. Wahrscheinlich war ihm wieder der verhaßte Geruch von Bohnerwachs und Zitrone in die Nase gestiegen.
    Zum Glück war Sinjun mit zwei sehr eigensinnigen, schwierigen und intelligenten Brüdern gesegnet, von denen sie eine ganze

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