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Die Jungfernbraut

Titel: Die Jungfernbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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konnten zwar unmöglich neu sein, hatten aber in der Nachmittagssonne so leuchtende Farben, daß er sie kaum wiedererkannte.
    »Es ist schön, dich wiederzusehen, Colin.«
    Er betrachtete seine Frau, die erwartungsvoll die Lippen schürzte, und sagte leise: »Wie ich sehe, warst du fleißig, Joan.«
    »O ja, das waren wir alle. Du wirst die Vorhänge bestimmt schon bemerkt haben, Colin. Sie sind neu, aber aus dem gleichen Material wie die alten. Stell dir nur mal vor — das Geschäft in Dundee führt diese alten Stoffe noch, obwohl das Muster fast fünfzig Jahre alt ist. Ist das nicht wunderbar?«
    »Mir gefielen die Vorhänge, wie sie waren.«
    »Oh, du meinst, dir gefielen der Staub und Schmutz von Jahren?«
    »Die Teppiche sehen merkwürdig aus.«
    »Da hast du völlig recht. Sie sind sauber, und es steigen auch keine Staubwolken mehr auf, wenn man sie betritt.«
    Er öffnete den Mund, aber sie gebot ihm mit einer Geste Einhalt.
    »Laß mich raten — dir haben sie so, wie sie waren, besser gefallen.«
    »So ist es. Wie gesagt, du bist sehr fleißig gewesen und hast ohne meine Erlaubnis gehandelt.«
    »Hätte ich statt dessen auf einem Sofa faulenzen, Broonies essen und Romane lesen sollen, die es in der mottenzerfressenen sogenannten Bibliothek im übrigen nicht einmal gibt?«
    Er bemerkte, daß sie gut einen Meter voneinander entfernt standen, versuchte aber nicht, diesen Abstand zu verkleinern. Er war im Recht, das mußte er ihr klarmachen, und er erwartete von ihr eine Entschuldigung. »Du hättest auf mich warten sollen. Ich hatte dich doch eigens gebeten, Listen aufzustellen und mir vorzulegen, und dann hätten wir . . .«
    »Papa, sie ist so gemein zu Philip und mir! Ich mußte sogar einen ganzen Vormittag in meinem Zimmer bleiben, und es war ein wunderschöner Tag.«
    »Sogar meine Kinder, Joan?« Colin blickte auf seine Tochter hinab. »Geh zu Dulcie. Ich möchte mit deiner Stiefmutter sprechen.«
    »Wir wollen sie nicht hier im Schloß haben! Sagst du ihr, daß sie uns nicht mehr schlagen soll?«
    Sinjun starrte das kleine Mädchen an und lachte dann los. »Das ist wirklich nicht schlecht, Dahling. Ein Schuß ins Schwarze. Ganz gut gemacht.«
    »Geh jetzt, Dahling. Ich kümmere mich um Joan. Ah, Tante Arleth, du bist auch hier? Bitte, laß uns allein und schließ die Tür. Ich möchte mit meiner Frau unter vier Augen sprechen.«
    »Du wirst ihr doch sagen, daß sie aufhören soll, alles zu ruinieren, Colin? Schließlich bist du der Herr im Haus und nicht dieses Mädchen. Nicht sie hat in Vere Castle das Sagen, sondern du. Du wirst doch dafür sorgen, daß . . .«
    »Schick sie in ein Kloster!« kreischte Dahling, bevor sie sich aus dem Staub machte.
    Arleth nickte zustimmend, verließ den Raum und schloß sehr leise die Tür. Colin und Sinjun standen allein im herrlich sauberen und gepflegten Salon. Sogar die alten Möbel hatten einen schönen Glanz, aber im Augenblick war Sinjun nicht danach zumute, ihre eigenen Leistungen zu bewundern. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt Colin. Er würde Dahlings dramatischem Auftritt doch bestimmt keinen Glauben schenken, bestimmt nicht . . .
    »Hast du meine Kinder geschlagen?«
    Sie starrte ihn an, und er war so schön, daß ihr Puls sich unwillkürlich beschleunigte, aber er schien plötzlich ein Fremder zu sein, ein schöner Fremder, den sie am liebsten verprügelt hätte.
    »Hast du sie geschlagen, Joan?«
    Es war absurd, einfach lächerlich. Sie mußte das auf der Stelle beenden. Rasch ging sie auf ihn zu, verschränkte die Finger hinter seinem Nacken und stellte sich auf die Zehenspitzen. »Ich habe dich schrecklich vermißt«, sagte sie und küßte ihn. Seine Lippen waren warm, aber fest aufeinandergepreßt.
    Er befreite sich aus ihren Armen. »Ich war fast drei Wochen fort und bin nur zurückgekommen, um dich zu sehen, um mich zu vergewissern, daß du in Sicherheit bist, daß die verdammten MacPhersons kein neues Unheil gestiftet haben. Ich konnte Robbie MacPherson in Edinburgh nicht finden. Der Feigling geht mir aus dem Weg. Natürlich hätte man es mir mitgeteilt, wenn dir etwas zugestoßen wäre, aber ich wollte mich trotzdem mit eigenen Augen davon überzeugen, daß es dir gutgeht. Du hast meine Abwesenheit indessen genutzt, um dich hier als Schloßherrin aufzuspielen und alles an dich zu reißen. Du warst an meiner Meinung nicht interessiert. Du hast meine Wünsche mißachtet. Du hast mich mißachtet!«
    Sie hätte nie geglaubt, daß Worte so schmerzen, so

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