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Die Jungfrau Im Eis

Die Jungfrau Im Eis

Titel: Die Jungfrau Im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Yves war benommen und aufgeregt aus seinem Halbschlaf hochgeschreckt und machte sich bereit, mit der Selbstsicherheit eines Edelmannes jeden zu begrüßen, der ihm entgegentrat. Er stützte sich mit seinen kleinen Kinderhänden auf den Sattelknauf und ließ sich in den Schnee fallen. Für seine Größe war das ein tiefer Sprung, aber er landete sicher wie ein Akrobat und bot sich aufrecht stehend Hugh Beringars belustigtem und anerkennendem Blick dar.
    »Begrüße Hugh Beringar, Yves, den stellvertretenden Sheriff dieser Grafschaft«, sagte Cadfael. »Und Prior Leonard von Bromfield, unseren Gastgeber.« Und während der Junge sich feierlich verbeugte, flüsterte er Hugh eindringlich zu: »Bringt ihn hinein und fragt ihn jetzt noch nichts!«
    So geschah es. Die beiden kannten sich aus langer Erfahrung, und jeder wußte, wie er auf den anderen zu reagieren hatte. Schon bald ließ Yves sich willig ins Haus führen, wobei Leonards knochige Hand auf seiner Schulter lag.
    Er würde eine Mahlzeit und etwas Warmes zum Anziehen bekommen und vor dem Zubettgehen nach Kräften verwöhnt werden. Er war jung und würde diese Nacht gut schlafen. Da er im Kloster erzogen worden war, würde er vielleicht kurz erwachen, wenn die Glocke zur Mitternachtsmesse rief, aber gleich darauf wieder beruhigt in tiefen Schlaf sinken.
    »Um Himmels Willen«, sagte Cadfael und tat einen großen Seufzer, sobald der Junge außer Sicht war, »kommt mit an irgendeinen ruhigen Ort, wo wir ungestört reden können. Ich habe nicht damit gerechnet, Euch persönlich hier zu finden, da Ihr doch auch zu Hause gebraucht werdet...« Beringar hatte ihn freundschaftlich beim Arm genommen und führte ihn eilig durch die Tür zu den Gemächern des Priors. Als sie an der Schwelle den Schnee von Stiefeln und Umhängen abschüttelten, sah er ihn erwartungsvoll von der Seite an. »Wir hatten nur eine schwache Spur der Gesuchten. Ich hätte nie gedacht, daß Ihr Euch deswegen auf den Weg zu uns machen könntet, und doch habt Ihr es - Gott sei Dank! - getan.«
    »Ich habe alles wohlversorgt zurückgelassen«, antwortete Hugh. Er hatte erwartet, gute Nachrichten von seinem Freund zu hören, aber der Ernst, den dieser an den Tag legte, konnte eigentlich nur auf weitere Schwierigkeiten hindeuten. »Wenn Ihr hier auch Sorgen habt, Cadfael, so dürft Ihr wenigstens über den Stand der Dinge in Shrewsbury unbesorgt sein. Am Tage Eures Aufbruchs wurde uns ein Sohn geboren - ein schöner, kräftiger Bursche, mit blonden Haaren wie seine Mutter, und beiden geht es gut. Und obendrein hat am Tag darauf auch das Mädchen aus Worcester einen Sohn bekommen. Das Haus ist voller aufgeregter Frauen, und für diese paar Tage wird mich niemand dort vermissen.«
    »Oh, Hugh, das sind gute Nachrichten! Ich freue mich für euch beide.« Das war gut und passend, dachte Cadfael: während ein Leben dahingegangen war, hatte, dem Tod zum Trotz, ein anderes begonnen. »Und es ist alles gutgegangen?
    Sie hatte keine schwere Geburt?«
    »Nein, Aline ist gesegnet. Sie ist zu unschuldig um verstehen zu können, daß so etwas Schönes wie eine Geburt mit Schmerz verbunden sein kann, und daher verspürt sie auch keinen. Glaubt mir, selbst wenn diese Angelegenheit mich nicht in Anspruch nehmen würde, wäre ich doch fast aus meinem eigenen Haus hinausgeworfen worden. Die Nachricht Eures Priors kam sehr gelegen. Ich habe drei Männer hierher mitgebracht und weitere zweiundzwanzig bei Josce de Dinan in der Burg von Ludlow einquartiert, um sie zur Hand zu haben, sollte ich sie brauchen - und als kleine Warnung für den Fall, daß er immer noch einen Seitenwechsel in Erwägung zieht. Er wird jetzt nicht mehr den leisesten Zweifel daran hegen, daß ich ein wachsames Auge auf ihn habe. Aber jetzt«, sagte Hugh und zog einen Sessel vor den Kamin im Wohnzimmer des Priors, »will ich Eure Geschichte hören, und ich habe nicht die leiseste Ahnung, was Ihr mir erzählen werdet. Ihr kommt mit dem Jungen, den wir so verzweifelt gesucht haben, in den Hof geritten, und doch seid Ihr, obwohl Ihr strahlen solltet, bleich wie ein Laken. Und dann wollt Ihr nichts sagen, bevor er nicht außer Hörweite ist. Nun sagt schon, wo Ihr ihn gefunden habt!«
    Mit einem leisen Stöhnen lehnte Cadfael sich zurück. Er war müde und steif von der Kälte des Rittes. Es bestand jetzt keine Notwendigkeit mehr, schnell zu handeln. In der Nacht würden sie die Stelle niemals finden, besonders jetzt nicht, da der Wind aufgefrischt hatte,

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