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Die Jungfrau Im Eis

Die Jungfrau Im Eis

Titel: Die Jungfrau Im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Jahren gestorben ist? Die meisten seiner Ländereien lagen, soweit ich mich erinnere, in jener Grafschaft.«
    »Ja, ich bin sein Sohn und Erbe.«
    »Aha! Dann dürfte die Bezahlung für deinen Aufenthalt hier keine Schwierigkeiten bereiten.« Die halbgeschlossenen Augen blitzten zufrieden. »Und wer ist der Vormund Eurer Lordschaft?
    Und warum läßt er dich allein und schlecht ausgerüstet in dieser Kälte herumstreunen?«
    »Er ist erst kürzlich aus dem Heiligen Land nach England zurückgekehrt und wußte nichts davon. Ihr findet ihn in Gloucester, wenn Ihr ihn benachrichtigen wollt. Er steht auf der Seite der Kaiserin.« Der Löwe zuckte ungerührt die Schultern.
    In diesem Bürgerkrieg gehörte er keiner Partei an und für wen andere kämpften war ihm völlig gleichgültig. Die einzige Seite, auf der er stand, war seine eigene - etwas anderes kam für ihn nicht in Betracht. Aber gewiß würde er von Parteigängern des Königs ebenso gern Lösegeld fordern wie von denen der Kaiserin. »Sein Name ist Laurence d'Angers«, sagte Yves. »Er ist der Bruder meiner Mutter.« Diesen Namen vernahm man mit Befriedigung - er war hier wohl bekannt. »Er wird ein stattliches Lösegeld für mich bezahlen.«
    »Bist du dir da so sicher?« Der Bärtige lachte. »Nicht immer sind Onkel versessen darauf, Neffen freizukaufen, denen eines Tages ein großes Vermögen zufallen wird. Man hat schon von welchen gehört, die ihre Verwandten lieber in den Händen der Entführer ließen, um sie so loszuwerden und selber an das Erbe zu gelangen.«
    »Das könnte er nicht«, erwiderte Yves, »denn ich habe noch eine Schwester und sie ist nicht in Eurer Gewalt.« Die Sorge um sie stieg plötzlich erneut in ihm auf. Er wußte nicht, wo sie jetzt war und möglicherweise steckte sie in einer ebenso verzweifelten Situation wie er selbst, aber er zwang seine Stimme zur Ruhe und ließ sich nichts anmerken. »Außerdem ist mein Onkel ein Ehrenmann«, sagte er steif. »Er wird mich ohne zu zögern auslösen. Vorausgesetzt ich bleibe unverletzt und am Leben«, fügte er nachdrücklich hinzu.
    »Kein Haar soll dir gekrümmt werden«, sagte der Löwenmähnige lachend, »vorausgesetzt der Preis stimmt.« Er winkte dem Burschen, der neben Yves stand. »Ich übergebe ihn dir. Gib ihm etwas zu essen und laß ihn sich beim Feuer wärmen, aber wenn du ihn entkommen läßt, wirst du mit dem Kopf dafür bezahlen. Schließ ihn im Turm ein, sobald er gegessen hat. Er ist mehr wert als der ganze Plunder, den wir in Whitbache erbeutet haben.«
    Bruder Elyas tauchte aus dem traumlosen Frieden des Schlafes auf zu den Träumen, die ihn im Wachen quälten. Es war Tag, durch die Ritzen zwischen den Balken der Hütte fielen kalte, weiße Streifen des Morgenlichts. Er war allein. Aber da war noch jemand gewesen, das wußte er. Ein Junge... ein Junge hatte ihn beharrlich begleitet und neben ihm im Heu gelegen. Er hatte die Wärme des Körpers neben sich gespürt.
    Jetzt war niemand mehr da. Bruder Elyas vermißte ihn. Im Schnee hatten sie sich gegenseitig gestützt und nicht allein die Kälte und die Grausamkeit des Sturmes zu lindern versucht.
    Was immer aus ihm geworden war, er mußte den Jungen finden und dafür sorgen, daß ihm nichts zustieß. Kinder hatten ein Recht zu leben - ein Recht, das viele Erwachsenen durch Torheiten, durch Verfehlungen, durch Sünden verwirkt hatten.
    Seine eigene Seele war verdammt, aber der Junge war rein und unschuldig und durfte Tod und Gefahren nicht ausgesetzt werden.
    Elyas stand auf und öffnete die Tür. Unter dem Dachüberhang, wo der Wind den meisten Schnee davongeweht und nur eine dünne Schicht zurückgelassen hatte, waren die Spuren der kleinen Füße deutlich zu sehen. Windböen hatten nur einige Flocken hineingeweht. Die Spuren führten nach rechts, den Hang hinunter und dort, im tiefen Schnee hatte der kleine Körper eine tiefe Furche hinterlassen, die sich um ein Gebüsch herum und in eine Baumgruppe zog. Elyas folgte der Spur des Jungen. Hinter den Bäumen fand er einen nach Osten leicht ansteigenden Pfad. Pferde und Unberittene waren hier gegangen, genug, um einen Weg freizuhalten. Sie waren aus westlicher Richtung gekommen. Hatten sie den Jungen nach Osten mitgenommen? Es hatte keinen Sinn, hier nach den Fußspuren eines Kindes zu suchen, aber offenbar war er den Hang hinabgerannt und hatte sich durch den tiefen Schnee gekämpft, um zu ihnen zu stoßen.
    In seinem selbst für Kälte und Schmerz undurchdringlichen Traum,

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