Die Jungfrau im Lavendel
in Frankreich. Ich komme aus London.«
»Aus London?«
»Ende Mai bin ich mit einem falschen Paß über Brüssel eingereist. Ich wollte mir ansehen, was da in Paris passierte. Da war allerhand los, das kannst du mir glauben. Und es ist noch lange nicht vorbei. Aber mit de Gaulle wird es bald vorbei sein, der wird dieses Desaster nicht überstehen. Schön, er hat diese Wahl im Juni gewonnen, denn natürlich will das Volk Ruhe und Ordnung im Land, keine Kämpfe auf den Straßen und keinen Streik. Aber es ist trotzdem das Ende für de Gaulle, auch wenn er gemeinerweise, um den Leuten gefällig zu sein, Pompidou geopfert hat, der ihm immer treu gedient hat.«
Der Haß auf de Gaulle war also auch bei ihm geblieben, keiner der Algerienfranzosen, geschweige denn einer von der OAS, würde sich je mit dem General aussöhnen. »In London? Wie bist du denn nach London gekommen? Mein Gott, und ich dachte immer, du bist noch im Gefängnis.«
»Da war ich drei Jahre. Eine verdammt lange Zeit, meine Schwester. Französische Gefängnisse sind keine sehr menschenfreundlichen Orte. Ich habe dir nie geschrieben, denn du solltest frei entscheiden, wie und wo du lebst. Auch wollte ich nicht, daß du hineingezogen wirst. Ich denke mir, daß man auch ganz gern die Hand auf Albert de Valmeraines Tochter gelegt hätte.«
»Man hat mich nie behelligt.«
»Und die Leute hier?«
»In Lassange nenne ich mich Daniele. Daniele Dumont. Vielleicht wissen sie, wer ich bin. Ich habe keine Ahnung. Aber sag mir eins, wenn du jetzt ein paar Wochen in Paris warst, wie hast du denn da gelebt?«
»Ich habe Freunde«, sagte er kurz.
»Und wie bist du aus dem Gefängnis gekommen?«
»Ich bin geflohen. Ich und zwei andere sollten in ein anderes Gefängnis verlegt werden, während des Transportes gelang uns die Flucht. Wir waren zwar gefesselt, aber wir hatten alles gut vorbereitet und haben gut zusammengearbeitet. Einen der Wächter mußten wir allerdings töten.«
»Und dann wagst du dich zurück?«
»Paris ist eine große Stadt. Und die Polizei war in den letzten Wochen sehr beschäftigt.«
»Und hier? Wenn dir einer hierher gefolgt ist?« Dido spähte angstvoll hinüber zum Wald.
»Warum sollte man mich hier suchen? Woher sollten sie wissen, daß die Confiance ein altes OAS-Versteck ist? Du hast eben selbst gesagt, daß dich nie jemand hier belästigt hat. Wenn sie es gewußt hätten, dann wäre sicher, als ich geflohen bin, einer vom Deuxième Bureau hier gewesen. Hat jemand nach mir gefragt, nach mir gesucht?«
»Nein, nie.«
»Sie vermuten mich in Deutschland. Die beiden anderen gingen über den Rhein, einen haben sie wieder erwischt, den anderen nicht. Sie werden denken, daß ich mit ihm zusammen bin.«
Dido blickte immer noch mit ängstlichen Augen um sich. Es war nun ganz hell, die Sonne war über den Berg gekommen, jeder konnte sie hier auf der Schwelle des Hauses sitzen sehen.
»Man wird dich suchen. Und finden.« Heller Zorn packte sie bei dem Gedanken an Danio. Er und das Mädchen mußten aus dem Haus. Sie zogen ja geradezu die Polizei hierher.
»Komm lieber herein. Weißt du denn, ob dir nicht jemand gefolgt ist und drüben unter den Bäumen sitzt und uns beobachtet?«
Alain griff an seine Hüfte. »Ich bin bewaffnet.«
»Wie kamst du denn nach London?«
»Nachdem die Flucht geglückt war, versteckte ich mich eine Zeitlang in den Bergen von Puy de Dôme, und dann schlug ich mich nach Clermont-Ferrand durch, ich wußte, dort war ein Freund, der mir weiterhelfen würde.«
»Wie leichtsinnig! Du wagtest noch, ihm zu vertrauen?«
»Wir können einander alle vertrauen, die wir zusammen gekämpft haben. Er war zuletzt schwer verwundet worden, aber sie haben ihn nicht gefangen, wir versteckten ihn halbtot in einem alten Château, das einem Freund unseres Vaters gehörte. Mathieu sagte mir beim Abschied, wenn er überlebe, dann würde ich ihn in Clermont finden. Dort lebt sein Bruder. Der war bei der Legion, aber jetzt hat er dort ein Bistro und ein kleines Hotel. Ein halbes Jahr lang haben sie mich dort versteckt, bis man annehmen konnte, daß sie meine Flucht nach Deutschland geschluckt hatten. Mathieu brachte mich mit dem Wagen an die Kanalküste, und von dort nahm mich ein Fischerboot mit nach England.«
»Was mußt du für Angst ausgestanden haben«, seufzte Dido.
»Der Tod war noch nicht für mich bestimmt«, sagte Alain ruhig.
»Aber du hättest mir ein einziges Mal Nachricht geben sollen.«
»Es war zu gefährlich. Ich
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