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Die Jungfrau im Lavendel

Titel: Die Jungfrau im Lavendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
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keine Kolonie, es ist ein Teil Frankreichs. Gewiß lebten die Franzosen so zahlreich in diesem Land, oft schon seit Generationen, wie in keinem anderen Kolonialland, sie fühlten sich heimisch, sie hatten Besitz, den sie in harter Arbeit aufgebaut und entwickelt hatten, aber Tatsache war, daß die einheimische Bevölkerung einer anderen Rasse angehörte, es waren Araber und Berber, und eine andere Religion besaß, sie waren Moslems. Weder mit Geduld, noch mit Vernunft, noch mit gutem Willen und auch nicht durch den Wundertäter Zeit ließ sich die Kluft überbrücken. Immer nur wieder durch Herrschaft, Gewalt, Strafe konnte dieses riesige Land geführt werden. Widerstand gegen die Herren aus Frankreich hatte es immer gegeben, von Anfang an, und er war jeweils nach den Weltkriegen, vor allem nach dem Zweiten, gewaltig gewachsen, genährt nicht zuletzt vom Geist der Zeit, der gebieterisch das Ende jeder Kolonisation verlangte.
    Nach der fürchterlichen Niederlage in Indochina wuchs der Widerstand in Algerien, täglich, stündlich. Nur daß die verschiedenen Freiheitsbewegungen sich untereinander erbittert bekämpften, machte es möglich, daß der Krieg, nachdem er einmal in Gang gekommen war, sieben furchtbare Jahre dauerte. Er brachte de Gaulle zurück an die Macht, nachdem in Paris eine Regierung nach der anderen stürzte, hauptsächlich über das Algerienproblem. De Gaulle kam als Retter, er hatte das vorausgesehen und vorbereitet. Und wie jeder vermutete, war er von vornherein entschlossen, Frankreich von dem Ballast der widerspenstigen Kolonie zu befreien. Doch selbst er brauchte dazu noch vier Jahre. Vier blutige, grausame, fürchterliche Jahre.
    Hatte es denn unbedingt sein müssen? Das dachte Alain de Valmeraine heute, mit dem Abstand, den er gewonnen hatte, gewinnen mußte, um weiterzuleben. Es waren die Jahre seiner Jugend gewesen, die es ihn gekostet hatte, und durch die Verbrechen, die er begangen hatte oder an denen er beteiligt gewesen war, hatte er nicht nur die Heimat Algerien, hatte er auch das Vaterland Frankreich verloren. Nur mit falschen Papieren, nur unter ständiger Bedrohung und möglichst auch nicht für lange Zeit konnte er sich hier aufhalten.
    Er stieg wieder aus dem Fenster, ging um das Haus herum und fand Dido im Wohnraum, eine große Kaffeekanne auf dem Tisch, frische Brioches in einem Korb. »Du hast schon ausgeschlafen?« begrüßte sie ihn.
    »Für den Moment, ja. Du warst einkaufen?«
    »Ja, ich bin ganz schnell hinuntergefahren. Ich habe sorgfältig die Tür abgeschlossen.«
    Daß jemand im Haus war, während sie schlief, und die Reste in der Küche verspeist hatte, verschwieg sie. Sie wußte, es konnte sich nur um Chariot handeln. Dennoch war es höchst leichtsinnig von ihr gewesen, bei offener Tür einzuschlafen. Sie goß Alain Kaffee ein, sah befriedigt zu, wie es ihm schmeckte.
    »Erzähl mir von dir«, sagte er.
    Sie berichtete von der letzten Zeit daheim, als sie allein mit Meliza dort zurückgeblieben war, alles Personal, alle Arbeiter waren verschwunden, die Ernte verdarb, und sie lebte nur noch in Angst, wartete, wer wohl zur Tür hereinkommen und ihr den Hals durchschneiden würde. Französische Soldaten kampierten für einige Zeit bei ihnen, unter ihrem Schutz befand sich eine Gruppe von Flüchtlingen, alles Frauen und Kinder, die zur Küste wollten, um dort ein Schiff zu finden, das sie nach Frankreich brachte.
    »Du wirst mit ihnen gehen«, ordnete Meliza an.
    »Nein, ich will nicht fort.«
    Am nächsten Morgen war Meliza tot, es blieb Dido nichts anderes übrig, als sich den Flüchtlingen anzuschließen. »So kam ich hierher, und damit war ich gut daran, gemessen an den anderen. Ich hatte ein ganzes Haus für mich, ich hatte Geld auf der Bank, ich stand nicht heimatlos und mittellos auf der Straße. Seitdem lebe ich hier. Manchmal habe ich auch unten an der Küste gearbeitet, dies oder das. Für mich reicht es immer hier, ich habe die Ziegen, ich habe Hühner, ich habe meinen Gemüsegarten, und ein wenig Geld ist auch noch da.«
    »Und du warst immer allein?« fragte Alain ungläubig.
    Dido blickte in ihre leere Kaffeetasse.
    »Nicht immer.«
    »Der Mann, der heute nacht hier schlief?«
    Sie fuhr heftig auf.
    »Du hast ihn nicht mit mir im Bett angetroffen, nicht wahr?«
    Alain schwieg, blickte sie nur an.
    »Ich gebe es zu, er war mein Geliebter. Ich kenne ihn seit vier Jahren. Ich war sehr einsam und, ja, ich mochte ihn gern, und er war sehr gut zu mir. Allerdings hat

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