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Die Jungfrau im Lavendel

Titel: Die Jungfrau im Lavendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
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noch nicht, was dich das alles angeht. Und du sprichst von unserem Cousin Pierre?«
    »Ja. Pierre Bouvin. Ich weiß, ich sollte keine Verbindung zu ihm haben. Vater nannte ihn einen Verräter.«
    Alain zog bitter einen Mundwinkel hoch. »Ich weiß. Aber Vater irrte sich. Manche Leute waren nur ein wenig klüger als wir. Du hast Pierres Vater nie kennengelernt. Er war ein sehr tüchtiger Mann. Er hatte einen Schiffahrtshandel in Algier. Und er hatte die Lektion gelernt, die Indochina für uns bedeuten mußte. Das Kolonialzeitalter ist zu Ende, sagte er, daran läßt sich nichts mehr ändern, und schon gar nicht mit Gewalt. Ich habe es selbst gehört, ich erinnere mich, wie Vater ihn voll Verachtung ansah, und ich, ich war damals sehr jung, verachtete diesen entfernten Onkel natürlich auch. Vater betrachtete ihn sowieso immer als einige Klassen unter uns stehend. Der übliche Dünkel in unseren Kreisen. Wie schnell es damit vorbei sein kann, siehst du an dir selbst. Notlagen verändern die Menschen und lassen sie Dinge tun, an die sie früher im Traum nicht gedacht hätten.« Er lächelte ihr zu. »Ich nehme mich selbst nicht aus.«
    »Pierre ist kein Verräter, sagst du? Aber er führt ein seltsames Leben. Und er muß ein ganzes Netz von Agenten haben.«
    »Mag ja sein. Es wäre kein Wunder, wenn er ein hartgesottener Bursche geworden ist.« Alain sann eine Weile vor sich hin, zündete sich dann eine Zigarette an. »Wie gesagt, Pierres Vater war ein tüchtiger Kaufmann. Er machte seine Geschäfte mit allen Seeleuten, ganz egal, unter welcher Flagge sie segelten. Er war immer gegen den harten Kurs, den Frankreich einschlug. Weißt du, daß er mit einer Araberin zusammenlebte?«
    »Nein.«
    »Seine Frau starb, als Pierre fünf Jahre alt war. Kurz darauf nahm er die Araberin ins Haus, damit sie für das Kind sorgte. Später liebte er sie, und sie liebte ihn. Sinah war sehr schön und sehr gut, sie zog Pierre mit großer Liebe auf. Zu einer Heirat kam es nie, sie war Moslem, natürlich. Aber dadurch stand Pierre von Jugend an zwischen zwei Fronten. Oder, wie er es einmal ausdrückte: zwischen zwei Welten. Er hatte viele arabische Freunde. Vater nannte ihn einen Verräter, weil er nicht mit uns in der OAS kämpfen wollte. Das konnte Pierre nicht, das wollte er nicht. Er war mit Krim Bei Kassem befreundet, dem Führer der FLN, der Front de Libération Nationale. Es half nicht viel. Pierres Vater kam in Algier ums Leben, Sinah wurde vor seinen Augen von Arabern erschlagen. Die Franzosen hatten Krim Bei Kassem zum Tode verurteilt, sie erwischten ihn bloß nie. Vielleicht könnte Pierre dir darüber einiges erzählen. Krim Bei Kassem unterzeichnete dann 1962 den Waffenstillstand in Evian. Ja, so war das. Sicher hätte Pierre in Algerien bleiben können. Aber das wollte er offenbar nicht. Auf jeden Fall verfügt er über gute Verbindungen. Er hat dir nicht gesagt, auf welche Weise er das Mädchen aufgespürt hat?«
    »Nein.«
    »Besser, es wäre ihm nicht gelungen. Nun haben wir dieses Problem am Hals. Vielleicht haben sie diesen Danio schon verhaftet. Dann haben wir hier bald die Polizei. Es wird besser sein, ich verschwinde.«
    »O nein, Alain, auf keinen Fall. Danio wird mich bestimmt nicht verraten. Und jetzt will ich dir ein gutes Mittagessen kochen. Ich habe nichts Böses getan. Ich habe das Mädchen nicht entführt, ich habe sie bei mir aufgenommen, und jetzt pflege ich sie sogar.«
    »Ich werde mich doch lieber in den Wald zurückziehen.«
    »Nein. Ich schließe die Tür ab. Und wenn jemand kommt, bist du gleich hinten hinaus im Wald.«
    Das Problem, von dem Alain gesprochen hatte, erwies sich überhaupt nicht als Problem.
    Kurz nach halb sechs empfing Dido in der Bar von Lassange Danios Anruf.
    »Sprich«, sagte sie.
    Sie selbst mußte vorsichtig sein mit ihren Äußerungen, es waren nicht viele Leute in der Bar, drei und der Wirt, aber sie konnten jedes Wort hören, das sie sagte.
    Anita war nicht da, erfuhr sie. Rose hatte berichtet, Madame habe aus Paris angerufen, um mitzuteilen, daß sie noch einige Zeit auf Reisen sei.
    »Kein Wort, wohin, warum. Oder mit wem. Wie findest du das?«
    »Seltsam«, erwiderte Dido.
    Danio hatte seinerseits im Ritz in Paris angerufen und nur erfahren, daß Madame Henriques abgereist sei.
    »Verschwindet einfach, und keiner weiß, wohin«, sagte Danio erbost.
    »Und sonst?«
    »Nichts.«
    »Das ist gut.«
    »Und was soll ich nun tun?«
    »Nichts. Abwarten.«
    »Und der Wagen?«
    »Das

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