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Die Jungfrau im Lavendel

Titel: Die Jungfrau im Lavendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
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schien. Aber einmal war der Mistral über die Berge hergefallen, sie konnte nicht vor die Tür, so heftig packte er sie. Und am Abend, in der Nacht war das Alleinsein kaum zu ertragen. Sie hielt Cattie im Arm, wärmte sich an ihrem Fell – und sie betete.
    Es war töricht, sich zu fürchten. Gott war bei ihr, und der Herr Jesus beschützte sie. Und irgendwann würde jemand sie hier abholen.
    Der einzige, der treulich kam, war Chariot. Wenn er in Lassange gewesen war, brachte er frisches Brot, auch Fleisch, er brachte Milch und Käse von den Ziegen, er brachte Eier. Hungern mußte sie nicht, außerdem waren genügend Konserven im Haus. Und die Verständigung mit Chariot ging nun auch etwas besser. Er bewunderte ihre Bilder, nahm sie in die Hand, schnalzte anerkennend mit der Zunge.
    Aber wenn er gegangen war, blieb sie allein. Bücher gab es nicht im Haus, es gab ein Transistorradio, dessen Batterien längst verbraucht waren. Wenn das Malen und Zeichnen nicht gewesen wäre, so hätte nackte Verzweiflung Virginia gepackt. Aber nun war ja alles gut. Ein Mensch war da, Danio war da.
    Er stand jetzt dicht bei ihr, sie lachte, sie sagte: »Ich dachte schon, Sie hätten mich ganz vergessen.«
    Er lächelte verzerrt. So wie er jetzt neben ihr stand, würde es schwer sein, sie zu stoßen.
    Da stand sie auf.
    »Haben Sie von Dido etwas gehört?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Dido müssen Sie vergessen, so wie ich sie vergessen habe.«
    »Ich werde sie nie vergessen«, sagte Virginia schwärmerisch. »Dido ist gut.«
    Danio zuckte die Achseln, schwieg. So wie sie jetzt stand, würde es besser gehen. Wenn er einen Schritt zurücktrat, dann gegen sie prallte – nein, dann konnte er selbst mit abstürzen. Sie konnte sich an ihm festhalten, dann stürzten sie beide.
    »Dido ist Ihre Schwester, wie können Sie sagen, daß Sie sie vergessen haben?«
    »Dido ist nicht meine Schwester«, sagte er grob. »Sind Sie immer noch so dumm, Virginia, daß Sie nichts begreifen?«
    Sie sah ihn mit großen, erschrockenen Augen an, schwieg. Und nun wußte er, wie er es machen mußte. Wenn sie einen Schritt zurücktrat, war sie nahe genug am Abgrund. Und er mußte sie erst halten und dann stoßen. Und selbst sofort zurückspringen. »Es war sicher sehr einsam in letzter Zeit«, sagte er, und ein mühsames Lächeln verzerrte seinen Mund. »Aber ich bin froh, Sie gesund wiederzufinden.«
    »Ich bin auch sehr froh, daß Sie gekommen sind. Ja, es war einsam.«
    Sie lächelte scheu zurück, er streckte die Arme aus und zog sie vorsichtig an sich und machte dabei den kleinen entscheidenden Schritt nach vorn.
    Virginia wehrte sich nicht gegen diese Umarmung, sah ihn stumm an, ein wenig erschrocken vielleicht, und als er sein Gesicht neigte, um sie zu küssen, wehrte sie sich auch nicht.
    Ich küsse sie, dachte Danio, und dann lasse ich sie ganz plötzlich los, und dann … warum wehrt sie sich nicht, es ginge viel besser, wenn sie sich wehren würde.
    Ich kann es nicht. Madonna, ich kann es nicht. Ich kann sie nicht dort hinunterstoßen.
    Kalter Schweiß rann über seine Stirn, sein Herz klopfte wie ein Hammer, seine Hände waren eiskalt, er hielt sie immer noch an sich gepreßt, sein Mund verbiß sich in ihren Mund, denn wenn er aufhörte, sie zu küssen, mußte er es tun.
    Ich kann es nicht. Ich kann es nicht. Ich muß es tun. Es bleibt mir keine andere Wahl. Ich muß es tun.
    Endlich versuchte Virginia, sich von seinem wütenden Kuß zu befreien, sie stemmte die Hände gegen seine Brust, sie bog den Kopf zurück.
    Jetzt, dachte er, jetzt!
    Ich kann es nicht.
    Von rechts, aus dem Wald her, tönte eine Stimme.
    Danio ließ sie so plötzlich los, daß sie beinahe von selbst gestürzt wäre. Er riß sie am Arm zu sich her, trat, sie festhaltend, vom Abgrund zurück.
    »Dio mio, paß doch auf!«
    Virginia starrte ihn in sprachlosem Entsetzen an. Auch sie sah, wie nahe sie dem Abgrund gewesen waren, sie hatte ihn ja schließlich von ihrem Mäuerchen aus ständig vor Augen gehabt. Und dann dieser Kuß! Es war der zweite ihres Lebens, und er war fürchterlich gewesen. Über die Mauern der Ruine kam Chariot herangestiefelt, in den Händen einen Korb, den er triumphierend vorwies. Pilze, nichts als Pilze. Das würde ein Festmahl geben!
    Danios plötzliches Vorhandensein erstaunte ihn nicht im geringsten. Er hatte ihn früher schon gelegentlich bei Dido gesehen, und er fand es ganz normal, daß jemand sich um das einsame Mädchen kümmerte.
    Er zeigte ihnen

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