Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Jungfrau im Lavendel

Titel: Die Jungfrau im Lavendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
Vom Netzwerk:
Clemens und ich.«
    »Ja, dann ist es ja überhaupt kein Problem. Sie kommen heute nachmittag zum Tee. Um fünf, oder auch schon um vier, ganz wie Sie wollen.«
    Juschi hätte am liebsten gesagt: Nein. Jetzt sofort. Doch sie beherrschte sich. Zeit war genug vergangen seit Virginias Verschwinden, es würde also noch Zeit haben bis zum Nachmittag.
    Sie konnte nicht ahnen, wie entscheidend der Faktor Zeit mittlerweile geworden war. Aber auch wenn sie sofort zu Anita gekommen wären, Danio hätten sie nicht mehr einholen können, sie kannten ja nicht einmal Weg und Ziel.
    Sein Ziel erreichte Danio um die Mittagszeit. Heute hatte er sogar die einsame Straße am Berg entlang fahren wollen, aber die schmale Straße war gesperrt. Attention – danger! stand da. War also wieder ein Steinschlag niedergegangen. Er mußte durch Lassange fahren, und er dachte, daß es besser gewesen wäre, einen unauffälligen Wagen zu mieten. Dem Bentley sah hier oben jeder nach. Aber in Lassange waren die Straßen leer, es war Mittagszeit. Auf der Rückfahrt mußte er aufpassen.
    Die Ferme lag still und verlassen im Sonnenlicht. Es war kühl hier oben in den Bergen, windig. Die Ziegen waren nicht zu sehen, auch keine Hühner.
    Dido war also wirklich fort. Und das Mädchen?
    Die Tür war unverschlossen, er trat ein und sah sich um. Auf dem Sofa lag die Katze, stand auf, als er kam, und streckte sich, machte einen Buckel. Auf dem Tisch stand ein leeres Glas, Reste von Milch darin. In der Küche fand er ein frisches Baguette, ein großes Stück Käse, eine ungeöffnete Flasche Wein. Er ging von Raum zu Raum, von Virginia keine Spur. Aber sie mußte wohl da sein. Hauste sie wirklich ganz allein auf der Ferme? Und wo war sie?
    Die Zeichnungen, die Bilder, die überall herumlagen, brachten ihn darauf, daß sie irgendwo draußen sein mußte. Sie malte, tagein, tagaus, das hatte Dido ja gesagt. Er ging um das Haus herum, über die Wiese bis zum maquis, zum Waldrand, er blickte in alle Richtungen, Virginia war nicht zu sehen.
    Der schmale, steinige Pfad, der in den Wald führte, das blieb die einzige Möglichkeit. Langsam, dann immer schneller, folgte er ihm. Bald ging es steil bergauf, er kam außer Atem, blieb stehen, überlegte. Sollte er lieber umkehren? Sie konnte hier und dort sein in der Umgebung des Hauses. Aber dann ging er weiter, angstvoll, gejagt, tausend wirre Gedanken im Kopf. Der Wald war sehr dicht, es wurde dunkel um ihn, seine eleganten Slipper bekamen Kratzer von den Steinen. Dann hörte er Schüsse in der Ferne. Es war Jagdzeit. Für alles, was sich jetzt bewegte, war es gefährlich in den Bergen. Die Provençalen schossen, was sie kriegen konnten, das wußte er.
    Dann wurde der Wald lichter, der Himmel war zu sehen, und dann die Mauern der Ruine. Die Römerburg, von der Dido ihm erzählt hatte. Der Ausblick war überwältigend. Gegenüber ein riesiger Berg, der steil in den Himmel ragte, ein jäher Abhang, dann der nächste Berg. Was für ein erbarmungsloses Land! Doch zwischen den Mauerresten der Ruine dicke, blaue Büschel von Lavendel.
    Und dann sah er sie.
    Ganz am Ende des Plateaus, auf einem Mäuerchen der Ruine, saß sie, genau, wie er sie das letztemal gesehen hatte, einen Zeichenblock auf den Knien.
    Was malte sie? Den harten Berg ihr gegenüber, den Abhang, den nächsten Berg, das kalte Blau des Himmels, die Weite, die unendliche Einsamkeit?
    Er ging langsam und lautlos auf sie zu, und als er nahe genug herangekommen war, sah er, daß sie zwei Schritte entfernt von einem nahezu senkrechten Absturz saß. Eine tiefe, nie ergründbare Schlucht mußte es sein.
    Danio dachte: ich gebe ihr einen Stoß, sie stürzt da hinunter, keiner wird sie jemals finden, keine Spur wird es von ihr geben. Tiere wird es geben, die ihre Leiche fressen. Sie wird vom Erdboden verschwunden sein.
    Kalter Schweiß trat auf seine Stirn, vor Entsetzen verhielt er den Schritt. Aber dies war die Lösung, keine andere konnte es geben.
    Hatte ein Stein unter seinem Fuß geknirscht, war es Instinkt? Virginia wandte sich um. Erblickte ihn.
    »Danio!« rief sie.
    Sie drehte sich auf ihrem luftigen Sitz, den Abgrund nun in ihrem Rücken.
    Er trat langsam näher.
    »Hier bist du! Ich habe dich überall gesucht.«
    »Und ich dachte schon, kein Mensch wird jemals wieder nach mir fragen.«
    Sie lachte ein wenig, sie war sehr froh, ihn zu sehen. Denn ihr Leben auf der Ferme, seit Dido fort war, hatte sie das Fürchten gelehrt. Weniger am Tage, wenn die Sonne

Weitere Kostenlose Bücher