Die Jungfrau im Lavendel
zurückkommst. Und du bist nicht gekommen und nicht gekommen.«
Lächelnd, ganz Herrin der Situation, ging Anita auf Virginia zu.
»Ich bin Anita. Deine Mutter. Fein, daß wir uns endlich kennenlernen.« Sie bog den Kopf prüfend zurück. »Ein wenig sieht sie mir ähnlich, nicht? Magst du eine Tasse Tee? Er steht warm. Und dann wird Rose ein wunderschönes Bad für dich einlassen und ein Zimmer für dich bereit machen. Rose!«
»Madame!« hauchte Rose, noch immer fassungslos.
»Dies ist meine Tochter Virginia. Wenn sie Tee getrunken hat, werden Sie sich bitte um sie kümmern. Und dann, Rose, müssen wir ein herrliches Abendessen haben, für – eins, zwei, drei, vier, fünf Personen.« Zu Juschi und Clemens gewandt: »Denn ich hoffe, Sie machen mir die Freude, mit uns zu essen. Und dann werden wir ja hoffentlich die ganze Geschichte erfahren. Ich bin schon sehr gespannt darauf.«
Sie lächelte reihum alle an, legte die Hand um Virginias Schulter und führte sie zum Teetisch, sagte: »Rose, und für die Katze brauchen wir ein Schälchen Milch zur Begrüßung. Und sagen Sie Marcel, wenn er zum Einkaufen fährt, denn Sie werden ja noch einiges brauchen für das Abendessen, soll er nicht vergessen, für die Katze Leber mitzubringen. Das mag sie doch sicher, nicht, Virginia? Danio, auch Tee? Lieber Kaffee, ja. Oder soll Rose dir schnell einen Espresso machen?«
Sie war ganz Herrin der Situation, ganz sie selbst. Und wie sie die Situation meisterte, konnte man nur bewundern.
Juschi las die Bewunderung im Gesicht ihres Sohnes, in den Augen dieses Italieners, der, das erkannte Juschi auch, erzählen konnte, was er wollte, Anita würde ihn nicht bloßstellen und würde nicht dulden, daß jemand an seinen Worten zweifelte.
»Nein, nein«, sagte Danio, »keinen Espresso. Ich nehme eine Tasse Kaffee. Rose hat ja gerade genug zu tun.«
Er stand jetzt hinter Anita, seine Hand glitt leicht über ihren Unterarm. Er war immer noch so glücklich. Hatte doch alles bestens geklappt. Diese beiden Deutschen da fürchtete er nicht. Anita hielt zu ihm. Und wenn in der Geschichte, die er erzählen mußte, manches nicht stimmte, würde Anita schon aus Selbstachtung so tun, als glaube sie ihm jedes Wort. Und konnte Virginia irgend etwas gegen ihn sagen? Nichts. Er hatte von Anfang an zu ihr gesagt: Ich bringe dich zu deiner Mutter. Und da war sie nun.
Dido hatte er in eine entfernte Cousine verwandelt, die mit ihrem Mann auf einem einsamen Hof in den Bergen wohnte. Dort hatte es Virginia sehr gut gefallen. Keiner hatte ihr ein Haar gekrümmt. Auf dem Weg hierher, als er Virginia die Augenbinde abgenommen hatte und sie neben ihm saß, hatte er ihr das beigebracht.
»Wir müssen Dido schützen«, sagte er. »Du darfst niemals von ihr sprechen.«
Virginia nickte. Es war so vieles geschehen, was sie nicht verstand. Auch dies nicht.
Gestörte Verhältnisse
Das Telefongespräch, das Juschi noch spät am Abend mit ihrem Mann führte, verstimmte diesen hörbar.
»Ich verstehe kein Wort. Die Geschichte stimmt doch vorn und hinten nicht. Wo war Virginia denn die ganze Zeit über?«
»Habe ich doch gerade gesagt. Irgendwo auf einem einsamen Bauernhof. Er sagt, bei einer Cousine von ihm.«
»So. Cousine. Und was sagt Virginia dazu?«
»Sie spricht kaum ein Wort. Sie ist noch ganz verwirrt, was man ja verstehen kann.«
»Ich möchte wissen, was sie mit ihr die ganze Zeit gemacht haben. Drogen oder so was?«
»So sieht sie nicht aus. Zum Abendessen erschien sie frisch gebadet, das Haar gewaschen, Anita hatte ihr ein Kleid angezogen, ein blaues, eins, das ihr gehört. Virginia sah ganz reizend aus. Und Anitas Kleider passen ihr ohne weiteres. Das Miststück hat immer noch eine fabelhafte Figur.«
»Na, wenigstens etwas. Sie hat eine fabelhafte Figur, die Kleine sah reizend aus, dann ist ja alles in bester Ordnung. Der Italiener hat sie geholt, um sie seiner Freundin zum Geschenk zu machen. Eine Art Hochzeitsgeschenk, wie du sagst. Wie gesagt, alles in bester Ordnung, und es wird Zeit, daß du nach Hause kommst.«
»Ein, zwei Tage muß ich schon noch hierbleiben. Ich muß doch schließlich erfahren, wie das weitergehen soll. Ich nehme an, daß Virginia ins Kloster zurückgeht, sie muß ja ihre Schulzeit beenden, wenn sie studieren soll.«
»Warum soll sie denn studieren, wenn sie jetzt so eine reiche Mutter hat? Ich weiß gar nicht, wieso du dich noch hineinhängst.«
»Na, ich tu's halt«, sagte Juschi friedlich. »Wenn sie in die
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