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Die Jury

Titel: Die Jury Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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tief Luft. »Sie empfangen keine Klienten mehr. Sie vergessen Anrufe und...«
    »Belehren Sie mich nicht!«
    »Und Sie liegen mit der Arbeit einen Monat zurück.«
    »Das genügt.«
    »Seitdem Sie sich mit dem Fall Hailey beschäftigen, denken Sie nur noch daran. Sie sind geradezu davon besessen. Und dadurch treiben Sie uns in den Bankrott.«
    »Uns! Habe ich es irgendwann versäumt, Ihnen Ihr Gehalt zu überweisen? Wie viele Rechnungen sind überfällig?«
    »Mehrere.«
    »Seit dem Zahlungstermin ist nicht mehr Zeit verstrichen als sonst, oder?«
    »Nein. Aber wie sieht die Sache im nächsten Monat aus? Der Prozeß beginnt erst in vier Wochen.«
    »Seien Sie endlich still, Ethel. Kündigen Sie, wenn Ihnen der Streß zuviel wird. Und wenn Sie nicht den Mund halten können, schmeiße ich Sie raus.«
    »Sie würden mich gern vor die Tür setzen, nicht wahr?«
    »Ich hätte kaum Gewissensbisse.«
    Ethel war an einiges gewöhnt. Während der vierzehn Jahre mit Lucien hatte sie sich ein dickes Fell zugelegt, doch unter dieser harten Schale blieb sie eine Frau. Ihre Unterlippe zitterte nun, und die Augen glänzten feucht. Sie senkte den Kopf. »Tut mir leid«, murmelte sie. »Ich bin nur besorgt.«
    »Über was?«
    »Über Bud.«
    »Stimmt was nicht mit ihm?«
    »Er ist sehr krank.«
    »Das weiß ich.«
    »Sein Blutdruck steigt immer wieder. Insbesondere nach den anonymen Anrufen. Er hatte drei Schlaganfälle in fünf Jahren, und die Ärzte sagen ihm einen weiteren voraus. Er hat Angst. Wir beide haben Angst.«
    »Wie viele Anrufe bekamen Sie?«
    »Einige. Man droht damit, unser Haus in Brand zu stecken oder es in die Luft zu jagen. Immer heißt es: ›Wir wissen, wo Sie wohnen; wenn Hailey freigesprochen wird, brennen wir Ihr Haus ab oder lassen Dynamit darunter hochgehen, während Sie schlafen. ‹ Zweimal hat man uns ganz offen mit dem Tod gedroht. Es ist die Sache einfach nicht wert.«
    »Vielleicht sollten Sie doch kündigen.«
    »Und verhungern? Sie wissen doch, daß Bud seit zehn Jahren kein Einkommen mehr hat. Wo könnte ich sonst arbeiten?«
    »Man hat auch mir gedroht, Ethel. Aber ich glaube nicht daran, daß es die anonymen Anrufer ernst meinen. Ich habe Carla versprochen, den Fall aufzugeben, wenn ich konkrete Gefahr für meine Familie befürchte. Beruhigen Sie sich. Sie und Bud brauchen sich keine Sorgen zu machen. Schenken Sie den Drohungen keine Beachtung; es sind nur Worte. Dort draußen wimmelt's von Verrückten.«
    »Genau deshalb habe ich Angst. Einige Leute sind vielleicht verrückt genug, um etwas zu unternehmen.«
    »Nein, das bezweifle ich. Wie dem auch sei: Ich bitte Ozzie, Ihr Haus unter Beobachtung zu halten.«
    »Das ist sehr nett von Ihnen.«
    »Kein Problem. Mein Haus wird ebenfalls überwacht. Glauben Sie mir, Ethel: Es besteht kein Anlaß zur Besorgnis.
    Vermutlich gehen die anonymen Anrufe auf einige Jugendliche zurück, die sich einen schlechten Scherz erlauben.«
    Die Sekretärin wischte sich Tränen aus den Augen. »Bitte entschuldigen Sie, daß ich geweint habe. Und es tut mir leid, daß ich in letzter Zeit so gereizt gewesen bin.«
    Sie sind seit vierzig Jahren gereizt, dachte Jake. »Schon gut.«
    »Was ist damit?« fragte Ethel und deutete einmal mehr auf die Rechnungen.
    »Ich besorge das Geld. Keine Angst.«
    Willie Hastings beendete seine Schicht um zweiundzwanzig Uhr, stempelte seine Karte und fuhr direkt zu den Haileys. Diesmal gehörte der Platz auf Gwens Couch ihm. In jeder Nacht schlief dort jemand: ein Bruder, ein Vetter, ein Freund. Mittwochs war er dran.
    Das Licht mußte eingeschaltet bleiben: Tonya wagte sich nur dann in die Nähe des Bettes, wenn alle Lampen im Haus brannten. Sie fürchtete, daß die Männer im Dunkeln auf sie lauerten. Schon oft hatte sie gesehen, wie die beiden Vergewaltiger über den Boden krochen oder sich in einem Schrank versteckten. Sie hörte draußen ihre Stimmen, sah blutunterlaufene Augen hinterm Fenster, wenn sie das Nachthemd überstreifte. Manchmal vernahm sie auch Geräusche auf dem Dachboden, die den schweren Schritten jener Cowboystiefel ähnelten, die nach ihr getreten hatten. Sie wußte ganz genau, daß die Männer dort oben waren und warteten, bis alle zu Bett gingen – um sie erneut in den Wald zu bringen. Einmal pro Woche kletterten ihre Mutter und der älteste Bruder die Leiter hoch und blickten sich mit Taschenlampe und Pistole auf dem Dachboden um.
    Kein einziges Zimmer im Haus durfte dunkel bleiben, wenn Tonya unter die Decke

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