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Die Jury

Titel: Die Jury Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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glaube, auch Jake ist besorgt.«
    »Warum nehmen wir dann die Dienste eines solchen Doktors in Anspruch?«
    »Weil er nichts kostet. Schuldet jemandem einen Gefallen. Ein echter Gehirnklempner verlangt tausend Dollar, um mich zu untersuchen – und noch einmal tausend, um vor Gericht auszusagen. Und das wäre immer noch ein billiger Psychiater. So viel kann ich natürlich nicht bezahlen.«
    Gwens Lächeln verblaßte, und sie wandte den Blick ab. »Ich brauche Geld«, sagte sie leise, ohne ihren Mann anzusehen.
    »Wieviel?«
    »Zweihundert für Lebensmittel und einige Rechnungen.«
    »Und wieviel hast du noch?«
    »Weniger als fünfzig.«
    »Mal sehen, was ich tun kann.«
    Gwen hob den Kopf.
    »Was soll das heißen? Wie willst du Geld auftreiben, wenn du im Gefängnis sitzt?«
    Carl Lee wölbte die Brauen und richtete den Zeigefinger auf seine Frau. Es stand ihr nicht zu, an ihm zu zweifeln. Er hatte noch immer die Hosen an, auch wenn er sie hinter Gittern trug. Er war der Boß.
    »Entschuldige«, hauchte Gwen.
24
    B ischof Agee spähte durch einen Spalt zwischen den großen, bunten Fenstern seiner Kirche und beobachtete zufrieden, wie saubere Cadillacs und Lincolns auf den Parkplatz rollten. Es war kurz vor fünf am Sonntagnachmittag. Er hatte eine weitere Versammlung des Konzils einberufen, um die gegenwärtige Situation zu diskutieren, eine Strategie für die letzten drei Wochen vor dem Prozeßbeginn zu planen und Vorbereitungen für die Ankunft der NAACP-Anwälte zu treffen. Die wöchentlichen Kollekten blieben nicht ohne Erfolg. In der ganzen County waren über siebentausend Dollar gesammelt worden, und der Bischof hatte fast sechstausend auf ein Konto einbezahlt, für den Carl- Lee-Hailey-Verteidigungsfonds. Die Familie ging leider völlig leer aus. Agee wartete darauf, daß ihm die NAACP einen Rat im Hinblick auf den Verwendungszweck des Geldes geben würde; seiner Ansicht nach sollte der größte Teil davon für den Verteidigungsfonds bereitgestellt werden. Wenn die Haileys Hunger litten, konnten sich die Schwestern der Kirche um sie kümmern. Das Bare wurde woanders benötigt.
    Das Konzil beriet Möglichkeiten, noch mehr Geld zu sammeln. Es war nicht leicht, Dollars von armen Leuten zu bekommen, aber der Fall Hailey weckte überall Mitgefühl, und daraus ergab sich eine Gelegenheit, die unbedingt genutzt werden mußte. Entweder wurde das Geld jetzt gesammelt – oder nie. Die Priester beschlossen, sich am nächsten Tag in der Springdale Church von Clanton zu treffen. Man erwartete die NAACP-Repräsentanten morgen in der Stadt. Nein, keine Presse: Arbeit stand auf dem Programm.
    Der dreißigjährige Norman Reinfeld galt als strafrechtliches Genie und hielt einen ganz besonderen Rekord: Er hatte das Harvard-Studium im Alter von nur einundzwanzig Jahren abgeschlossen und das großzügige Angebot abgelehnt, in der angesehen Wall-Street-Kanzlei seines Vaters und Großvaters zu arbeiten. Statt dessen nahm er einen NAACP-Job an und bemühte sich voller Engagement, Schwarze aus den Südstaaten vor der gesetzlich angeordneten Hinrichtung zu bewahren. Er war sehr gut, aber leider erzielte er nur wenige Erfolge. Woraus man ihm keinen Vorwurf machen konnte. Die meisten im Süden zum Tod verurteilten Schwarzen – ebenso wie die Weißen – verdienten es nicht anders. Aber Reinfeld und sein Team aus Anwälten, die sich auf vorsätzlichen Mord spezialisiert hatten, gewannen doch den einen oder anderen Fall. Und selbst wenn sie verloren: Mit Hilfe diverser Berufungsverfahren gelang es ihnen, die Sträflinge noch einige Jahre lang am Leben zu erhalten. Vier von Reinfelds früheren Klienten waren in der Gaskammer, auf dem elektrischen Stuhl oder durch tödliche Injektionen gestorben – genau vier zuviel. Er hatte die Hinrichtungen beobachtet und dabei den Schwur erneuert, Gesetze zu ignorieren, ethische Prinzipien zu verletzen, das Gericht zu mißachten, Richtern mit Respektlosigkeit zu begegnen und alle anderen Mittel zu nutzen, um zu verhindern, daß Menschen auf legale Weise andere Menschen umbrachten. Er verschwendete keine Gedanken an das illegale Töten von Menschen, bei dem seine Klienten großen Einfallsreichtum bewiesen hatten. Es gehörte nicht zu seinen Pflichten, darüber nachzudenken. Er widmete seine Mischung aus gerechter Empörung und heiligem Zorn ausschließlich den legalen Morden.
    Selten schlief er länger als drei Stunden pro Nacht. Wie sollte er Ruhe finden, wenn einunddreißig Mandanten in der

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