Die Jury
Carl Lee Hailey. Im nächsten Jahr verteidigen Sie vielleicht einen anderen Mörder, den alle hassen, aber Sie haben wegen ihm schlaflose Nächte, weil er zufälligerweise Ihr Klient ist. Eines Tages versuchen Sie, jemanden aus der Todeszelle zu holen, ihn vor der Hinrichtung zu bewahren, und dann steht Ihnen eine schreckliche Erfahrung bevor. Sie werden ein völlig anderer Mensch sein, wenn man Ihren Mandaten auf den Stuhl schnallt, wenn er Sie zum letztenmal ansieht. Dann begreifen Sie, wie barbarisch unsere Justiz ist. Und dann erinnern Sie sich an Row Ark.«
»Dann lasse ich mir einen Bart wachsen und schließe mich den Gegnern der Todesstrafe an.«
»Wenn man Ihren Mitgliedschaftsantrag nicht zurückweist.« Die sautierten Garnelen wurden in einer kleinen schwarzen Bratpfanne serviert; sie brutzelten in einer Mischung aus Butter, Knoblauch und Grillsoße. Ellen schaufelte einige Löffel auf ihren Teller und aß wie eine Verhungernde. Merle stimmte eine eigene Dixie-Version an, und die Gäste sangen mit, klatschten rhythmisch in die Hände.
Die Kellnerin eilte am Tisch vorbei und stellte eine Schüssel mit knusprigen Froschschenkeln ab. Jake nahm einige davon, nachdem er sein Glas Wein geleert hatte. Ellen versuchte, ihnen keine Beachtung zu schenken. Im Anschluß an die Vorspeisen kam das Hauptgericht, der Seewolf. Das Öl zischte noch immer, und sie wagten es nicht, den großen Porzellanteller zu berühren. Der Fisch war goldbraun, und an den Seiten zeigten sich schwarze Grillstreifen. Jake und Ellen aßen und tranken langsam; sie beobachteten sich, während sie die leckere Mahlzeit genossen.
Gegen Mitternacht war die Flasche leer, und es brannten nur noch wenige Lampen. Jake und seine Assistentin verabschiedeten sich von der Kellnerin und Merle. Sie schlenderten nach draußen, gingen vorsichtig die Treppenstufen vor der Veranda hinunter und schritten zum Wagen. Brigance legte den Sicherheitsgurt an.
»Eigentlich dürfte ich jetzt nicht mehr fahren«, sagte er. »Ich auch nicht. Weiter unten an der Straße habe ich ein Motel gesehen.«
»Ja, ich weiß. Aber wenn ich mich recht entsinne, wies ein Schild darauf hin, daß alle Zimmer belegt sind. Man muß sich wirklich vor Ihnen hüten, Row Ark. Erst sorgen Sie dafür, daß ich betrunken werde, und dann versuchen Sie, meinen Zustand auszunutzen.«
»Das würde ich gern, Mister.«
Ihre Blicke trafen sich. In Ellens Gesicht zeigte sich der rote Widerschein der HOLLYWOOD-Leuchtreklame über dem Eingang.
Einige Sekunden verstrichen, und dann schaltete jemand die große Neonlampe aus. Das Restaurant hatte geschlossen. Jake startete den Motor des Saab und ließ ihn warmlaufen, bevor er durch die Dunkelheit raste.
Früh am Samstagmorgen rief Mickymaus den Sheriff zu Hause an und stellte weitere vom Klan verursachte Probleme in Aussicht. Sie seien nicht für den Aufruhr vom Donnerstag verantwortlich, meinte der Informant, aber trotzdem gebe man ihnen die Schuld. Sie hätten friedlich demonstrieren wollen, und nun läge ihr Anführer im Krankenhaus, mit Verbrennungen dritten Grades, die siebzig Prozent seiner Haut betrafen. Die Leiter des KKK hatten Vergeltung beschlossen. Verstärkung aus anderen Staaten war unterwegs, und Gewalt stand auf dem Programm. Der Mann namens Mickymaus nannte keine Einzelheiten, aber er versprach, noch einmal anzurufen, wenn er mehr herausfinden würde.
Ozzie saß auf der Bettkante, rieb sich die angeschwollene Stelle am Hinterkopf und wählte die Nummer des Bürgermeisters und dann die Jakes. Eine Stunde später trafen sie sich im Büro des Sheriffs.
»Die Situation gerät allmählich außer Kontrolle«, sagte Ozzie. Er hielt sich einen Eisbeutel an den Nacken und verzog bei jedem Wort das Gesicht. »Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, daß sich der Klan für die Ereignisse vom Donnerstag rächen will. Frische Kluxer-Truppen aus anderen Staaten rücken an.«
»Nehmen Sie diese Auskunft ernst?« fragte der Bürgermeister.
»Ich fürchte, ich muß sie ernst nehmen.«
»Der gleiche Informant?« erkundigte sich Jake.
»Ja.«
»Dann ist jeder Zweifel ausgeschlossen.«
»Jemand erwähnte Gerüchte über eine Verlegung des Verhandlungsortes oder einen Aufschub«, sagte Ozzie. »Ist da was dran?«
»Nein. Ich habe gestern mit Richter Noose gesprochen. Der Prozeß findet hier statt, und er beginnt am Montag.«
»Weiß er von den brennenden Kreuzen?«
»Er hat alles von mir erfahren.«
»Ist er verrückt?« entfuhr es dem
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